Veröffentlicht: 15.3.2025
Herstellungsdatum: 2025
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Speaker Cables
Die WSS-Kabelmanufaktur GmbH & Co. KG unter der Geschäftsleitung von Jochen Bareiß stellt seit 2002 von ihrem Firmensitz in Nürtingen aus erschwingliche High-End-Lautsprecherkabel her. Jedes Kabel wird nach WSS-Spezifikation gefertigt und kombiniert hochwertigste Materialien mit patentierten, speziell für das Audiosegment entwickelten Designs. Seit seinen Anfängen genießt das Unternehmen unter audiophilen Hörern einen exzellenten Ruf für seine hohe Expertise im Bereich Kabeldesign und seine fairen Produktpreise.
Als Daniela Manger mir Anfang Februar 2025 auf den „Norddeutschen HiFi-Tagen“ ein Paar ihrer P2-Lautsprecher anvertraute, erwähnte sie beiläufig, dass diese am natürlichsten klängen, wenn sie in Kombination mit WSS-Lautsprecherkabeln betrieben würden. Da ich den Firmennamen tatsächlich noch aus den zahlreichen Hörsitzungen mit meinem HiFi-Mentor Luigi di Adamo in positiver Erinnerung hatte, war ich von ihrem Vorschlag nicht sehr überrascht und erklärte mich bereit, ihn bei meiner Rezension zu berücksichtigen. Die Umstände auf der Messe hinderten mich schließlich daran, die WSS-Kabel noch am selben Tag mit mir nach Hause zu nehmen. Deshalb veranlasste Daniela Manger kurzerhand, dass Jochen Bareiß mir ein Set seiner Platin Line LS4-Lautsprecherkabel auf dem Postweg zusandte.
Da die WSS-Kabel bei meiner Rückkehr in unser Studio in Marne noch nicht eingetroffen waren, schloss ich die Manger P2 zunächst mit meinen gewohnten Belden-9497-Kabeln an. Als Verstärker diente ein Symphonic Line RG10 Reference in Kombination mit dem neuentwickelten Music Cable “Netzkabel” von Rolf Gemein. Als Musikquellen fungierten ein zuverlässiger Thorens TD320-Plattenspieler mit linearem Netzteil von Audiophonics und Audio Technica VM95 ML Tonabnehmer, sowie ein Marantz CD-17 „Ken Ishiwata Signature“ CD-Player, der über Symphonic Line Harmonie HD-Interconnects an den Verstärker angeschlossen war. Um dem Thorens-Plattenspieler audiophile Qualitäten zu verleihen, wurde er auf eine vibrationsdämpfende Basis aus Schichtholz, Quarzsand und Elastomeren gestellt, die Klaus Finnern von Nordic Wood Art für mich angefertigt hatte. Und auch der Marantz-Player war einer Resonanzbehandlung unterzogen worden, um einen vergleichbar positiven Effekt zu erzielen.
Bereits in meinen ersten Hörminuten wurde das enorme klangliche Potenzial der Manger P2 deutlich. Sie überzeugten durch musikalisches Detail und lebensechte Transienten, ähnlich wie ich sie von unseren elektrostatischen Martin Logan SL3-Lautsprechern (bei perfekter Aufstellung) erwartet hätte. Da ich die Manger P2 bei meinen vorherigen Besuchen auf Audio-Shows nicht annähernd auf diesem musikalischen Niveau gehört hatte, fühlte ich mich innerlich erleichtert, dass meine Bewertung der Lautsprecher in der Tat positiv ausfallen würde. Und obwohl das Konzept des Manger Biegewellenwandlers aus akustischer Sicht absolut sinnvoll und wertvoll ist, erwiesen sich die P2 Lautsprecher als anspruchsvoll in Bezug auf die Güte der Elektronik und die Platzierung im Raum, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Insgesamt war ich mit der Leistung der P2 sehr zufrieden und begann deshalb zu zweifeln, ob die WSS-Kabel an dem Klang noch etwas zu verbessern vermochten.
Das Platin Line LS4-Kabelset wurde in zwei schlichten schwarzen Koffern mit Innenpolsterung geliefert. Davon enthielt ein Koffer zwei Sets Lautsprecherkabel, jedes bestehend aus zwei getrennten Einzelleitern. Der andere Koffer enthielt die vier Kabelbrücken für die Bi-Wiring-Terminals. Alle Kabelenden waren mit rhodinierten Beryllium/Kupfer-Hohlbananas versehen. Nur die Jumper waren an einem Ende mit einem Kabelschuh konfektioniert, um den Bananensteckern der Lautsprecherkabel beim Anschließen nicht in die Quere zu kommen. Ähnlich wie bei den Symphonic Line Harmonie HD-Lautsprecherkabeln verwendet das WSS Platin Line LS4 einen separaten Kabelstrang für den positiven (rot markierten) und einen für den negativen (schwarz markierten) Anschluss. Bei den WSS-Kabeln werden diese Stränge an beiden Enden über Schrumpfschlauchhülsen verbunden und zur zusätzlichen Abschirmung lose miteinander verdrillt. Die fertigen Kabel sehen relativ unauffällig aus, fühlen sich solide und robust an und sind insgesamt gut verarbeitet.
Nachdem ich die LS4 angeschlossen hatte und zu meinem Hörplatz zurückgekehrt war, brauchte ich keine fünf Sekunden, um zu erkennen, dass diese Lautsprecherkabel tatsächlich etwas Besonderes waren. Sie hatten die Fähigkeit, akustisch in den Hintergrund zu treten und die Musik spielen zu lassen. Die dynamische Freiheit war ausgeprägter als bei allen anderen Setups, die ich zuvor gehört hatte. Wenn auch meine Belden-Kabel sehr gut klangen und ein Gefühl der Harmonie boten, welches üblicherweise mit Solid-Core-Designs in Verbindung gebracht wird, sowie eine Geschwindigkeit und Agilität, die denen von Silberdrähten ähnelte (allesamt Eindrücke eines Kabels von geringer Induktivität), machte das LS4 all dies noch besser und hob das Klangerlebnis auf ein völlig neues Niveau. Zum ersten Mal trennten sich die klanglichen Eigenschaften des HiFi-Systems erkennbar von den klanglichen Eigenschaften der Aufnahme. Die Musik löste sich förmlich von den Lautsprechern und war frei.
Jetzt konnte ich Luigi di Adamos langjährige Vorliebe für WSS-Kabel nachvollziehen und auch verstehen, weshalb Daniela Manger mich dazu aufgefordert hatte, ihre Lautsprecher mit den LS4-Kabeln zu testen. Letztendlich war es nicht nur eine Eigenschaft allein, sondern eine Kombination aus vielen, die die Platin Line LS4 so leistungsstark machte. Lebendigkeit und Rhythmus, Tonalität und Klangfarbe, Transienten und Hallfahnen, Bassläufe- und Obertöne: Keine der akustischen Eigenschaften kann die Transformation vollständig beschreiben, die man beim Hören erfährt, wenn die üblichen Verluste eines Kabels aus dem Hörspektrum verschwinden und seine Eigenschaften für das Ohr unsichtbar werden. In diesem Moment beschloss ich, Jochen Bareiß anzurufen, um mehr über die Firmengeschichte und die Philosophie hinter den LS4-Kabeln zu erfahren. Da Jochen jedoch mit der Leitung seines Kabelshops, des Hoerenswert-HiFi-Studios und Messebesuchen ziemlich beschäftigt ist, musste ich mehrere Anrufe tätigen, bevor wir schließlich unser ausführliches Gespräch führen konnten.
In dem Telefonat erklärte mir Jochen, dass WSS (Abkürzung für wire@sound systems) im Jahr 2002 von Konrad Wächter gegründet wurde. Wächter war ein echter Kabelexperte, der aus der ehemaligen DDR in den Westen gezogen war, um hier bessere Möglichkeiten für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zu finden. Er wurde bald darauf von einem Stuttgarter Kabelwerk eingestellt, um die technische Abteilung für Spezialkabel zu leiten. Später verließ Wächter das Unternehmen, um seine eigene Kabel Wächter GmbH zu gründen, ein Unternehmen, das schon bald für seine Innovationen im Bereich der Kabelkonstruktionen bekannt wurde. Als Wächter sein Unternehmen 1995 verkaufte, hatte er bereits zahlreiche Patente auf seinen Namen und die finanzielle Freiheit, das zu tun, was ihm Spaß machte.
Da Wächter nicht nur ein dezidierter Kabelexperte, sondern auch ein aktiver Musiker war, der Fagott studiert hatte, bereitete ihm die Idee, Spezialkabel für Musikanwendungen herzustellen, eine großartige Gelegenheit, seine beiden Leidenschaften in einem einzigen Projekt zu vereinen. Die Platin Line LS4 sind ein Beweis für Wächters Können und für seine Hingabe zur Musik, da diese Kabel es ermöglichen, dass das Originalsignal weitgehend ohne den Verlust von Details und Dynamik die Lautsprecher erreicht. In der Geburtsstunde von WSS betrieb Jochen Bareiß nicht weit entfernt ein HiFi-Studio und begann, die Kabel in seinem Geschäft zu vertreiben. Die Nachfrage nach guten Kabeln war groß, und so wurde er schnell Stammkunde bei Herrn Wächter, sodass sich zwischen den beiden Männern bald eine Freundschaft entwickeln konnte.
Im Jahr 2019 trat Jochen Bareiß offiziell in das WSS Kabelgeschäft ein, um zunächst die Verwaltung des Unternehmens zu übernehmen, sodass allmählich die Vorbereitungen für den Ruhestand von Konrad Wächter getroffen werden konnten. Jochen benannte das Unternehmen in WSS-Kabelmanufaktur um und führt das Geschäft seit 2022 erfolgreich in alleiniger Regie. Sein Fokus liegt weiterhin auf hochwertigen Produkten zu kundenorientierten Preisen. Die Platin Line ist das mittlere Segment an Lautsprecherkablen des Unternehmens, wobei das LS4 mit seinen getrennten Einzelleitern das Spitzenprodukt des Segments ist. Es besteht aus sieben OFH-Kupferlitzen sowie sieben silberbeschichteten Kupferlitzen, jeweils in unterschiedlichen Stärken. Da bei dem Verfahren zur Silberbeschichtung kein separater Haftgrund zum Einsatz kommt, gibt es auch keine Sperrschicht, die sich negativ auf den Klang auswirken würde. Stattdessen ist die Silberschicht besonders stark aufgetragen und eliminiert auch dadurch den Eindruck akustischer Härte. Die Drähte sind in einem patentierten ZS-Design verseilt, um die Kabelinduktivität zu reduzieren. Der Leiterdurchmesser beträgt 2x 4,8 mm² pro Kanal. Als Dielektrikum kommt Teflon zum Einsatz. Schließlich vervollständigt eine Kombination aus thermoplastischer und textiler Ummantelung das Kabel außen.
Als die P2-Lautsprecher planmäßig an Daniela Manger zurückgingen, schloss ich meine Martin Logan Elektrostaten an die WSS-Kabel an und war erneut von deren Musikalität fasziniert. Ich beendete meinen Artikel über den Symphonic Line RG10 Reference Verstärker, und die LS4 spielten eine wichtige Rolle in meinen Höreindrücken. Die Kabel ermöglichten es mir auch, die beträchtlichen Vorzüge der Martin Logan-Lautsprecher noch besser zu verstehen, die auf alle Veränderungen in der HiFi-Kette sehr sensibel reagierten und scheinbar immer weiter mitwachsen konnten. Um eine maximale akustische Homogenität zu erreichen, musste ich die Lautsprecherkabel an den Tieftontreiber der Martin Logans anschließen und die elektrostatischen Panels über die Jumper verbinden. Bei umgekehrtem Anschluss hängten die agilen Panels den dynamischen Tieftöner akustisch ab und erzeugten einen zeitversetzten, leicht schleppenden Bass.
Letztlich gibt es viele Theorien über Lautsprecher- und Kabelkonstruktionen, doch am Ende zählt nur, wie das Ergebnis auf das menschliche Ohr wirkt. In diesen Tagen besuchte uns eine Freundin aus Thüringen. Obwohl Katrin sich nicht als audiophile Musikliebhaberin bezeichnen würde, hört sie sehr gerne Musik und besucht auch musikalische Veranstaltungen. Sie liebt Musicals und fragte mich, ob sie sich „Phantom der Oper“ auf unserem HiFi-System anhören könne. Katrin hatte dieses Musical ein paar Jahre zuvor live in Hamburg gesehen und zu Hause eine CD mit einer Auswahl an Songs davon. Ich durchsuchte unsere CD-Sammlung und fand eine Kopie des gesamten Musicals. Als Kind hatte ich das “Phantom der Oper” mit meinen Eltern am Broadway gesehen und erinnerte mich an ein oder zwei Lieder, die mir gefallen hatten. Der Rest der CD war meiner Meinung nach eher mäßig gelungen, und so gab ich Katrin die Fernbedienung des CD-Players, damit sie zu den Titeln springen konnte, die ihr gefielen.
Das Phantom der Oper beginnt mit einem fast dreiminütigen Vorspiel. Diesem folgt eine zweiminütige Ouvertüre und die erste Szene, die wiederum drei Minuten dauert. Ich saß auf einem Klappstuhl hinter Katrin und vermutete, dass sie wohl gleich zum nächsten Titel springen würde. Da ich selbst das Musical noch nie in dieser Intensität gehört hatte, lauschte ich der Vorstellung einigermaßen verblüfft. Katrin drückte keinen Knopf auf der Fernbedienung, bis die erste CD nach zwanzig Titeln und 60 Minuten zu Ende war. Dann drehte sie sich um und sah mich an. „Und, was hältst du davon?“, fragte ich. „Machst du Witze?“, antwortete sie. „Das ist so gut, dass es mich umhaut, und sogar noch besser, als ich es von der Veranstaltung selbst in Erinnerung hatte. Ich konnte jedes einzelne Wort verstehen, egal wie viele Leute sangen und wie viele Instrumente spielten. Das ist irre beeindruckend.“
Ich wusste genau, was sie meinte. Denn bis zu diesem Tag hatte ich von dieser CD nicht mehr als drei Titel am Stück hören wollen, da mich die Musik nur wenig berührte. Bei diesem HiFi-System jedoch saßen wir beide wie festgenagelt auf unseren Sitzen und verfolgten mit Spannung jede noch so kleine Nuance und Wendung des musikalischen Geschehens. Musik kann solche Momente erschaffen, denn die Bühne zwischen unseren Ohren ist unendlich groß. Die WSS Platin Line LS4 Kabel sind ein wichtiges Puzzleteil zu einem vollendeten Klangerlebnis.