Veröffentlicht: 16.4.2024
Herstellungsdatum: 1994
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Integrated Amplifiers
Ich möchte diese Erkundungsreise mit einer scheinbar simplen Frage beginnen: "Was ist High End?" Denn in den letzten Jahren ist der Begriff in Zusammenhang mit Audiogeräten ziemlich häufig zitiert worden, wobei private Verkäufer und Geschäfte “High End"-Produkte sowohl im preiswerten als auch im luxuriösen Segment des Audiomarktes anbieten. Vielleicht sind solche Behauptungen berechtigt, vielleicht auch nicht. Doch wer soll das entscheiden, wenn wir uns über die Definition des Begriffs noch nicht im Klaren sind. Eine Möglichkeit, die Eingangsfrage zu beantworten, besteht darin, einen Blick auf den Ursprung des Begriffs in der HiFi-Branche zu werfen und sich zu fragen, was er für diejenigen Menschen bedeutete, die ihn prägten und zuerst für ihre Produkte verwendeten.
In Amerika war es die Audio Research Corporation (ARC), die vor allem ihre großen Röhrenendstufen als High-End-Produkte bezeichnete. In Deutschland wurde der Begriff u.a. von Rolf Gemein (damals noch Vernissage Laboratorium), Dieter Burmester, der die gleichnamige und inzwischen international bekannte Audio-Firma betrieb, und zehn weiteren Audio-Manufakturen aufgegriffen. Gemeinsam gründeten sie die “High End Society” und gehörten zu den Gründungsvätern der High End Messe in München, die heute zur größten High End Audiomesse der Welt avanciert ist. Sowohl Gemein als auch Burmester wollten Audiogeräte entwickeln, die ursprünglich nicht für den Massenmarkt bestimmt waren (ein Wettbewerbsumfeld, in dem ihre Produkte aus Rentabilitätsgründen auf ihre Versand- und Produktionskosten hin überprüft werden), sondern sich darauf konzentrierten, die hochwertigsten Schaltungen zu entwickeln und die bestmöglichen Komponenten zu kombinieren, um das Maximum an Klang herauszuholen.
Wenn man sehr lange Entwicklungszeiten mit außergewöhnlicher Ingenieurskunst und hochwertigsten Komponenten verbindet, wird das unweigerlich teuer. Und die meisten Hersteller befürchten, dass sie in dieser hohen Preisklasse ohne entsprechendes Marketing nicht genügend Nachfrage für ihre Produkte generieren können. Folglich sind die meisten Produkte so konzipiert, dass sie eher relativ betrachtet und innerhalb ihrer bestimmten Preisklasse die erforderliche Leistung erbringen. Ich habe einmal an einer Diskussion teilgenommen, bei der das Ingenieurteam eines Fernsehgeräteherstellers gerade die Audiosektion eines neuen Fernsehmodells entwickelt hatte. Der Einkaufspreis für die Komponenten wurde damals mit 35 EUR veranschlagt. Daraufhin wurde dem Team mitgeteilt, dass es ein Budget von 7,50 EUR habe, und es wurde gebeten, das Design dahingehend nochmals zu überarbeiten und mit den Lieferanten zu sprechen. Solche Entscheidungen sind in der Tat nicht selten. In dem beschriebenen Szenario sollte die Audiosektion für einen Fernseher im höherpreisigen Premium-Segment entwickelt werden und nicht etwa für ein günstiges Mitnahmeprodukt.
Während die meisten erfolgreichen Unternehmen ihre Entwicklungs- und Produktionsabteilungen eher auf der Kostenseite verorten und sich bemühen, diese so schlank wie möglich zu halten, haben sowohl Rolf Gemein als auch Dieter Burmester ihre Produktphilosophie über alle anderen Überlegungen gestellt und damit eine Utopie geschaffen, in der die Kräfte des Marktes - Kräfte, die für alle anderen gelten - keine Wirkung zu haben scheinen. In diesem Sinne bedeutet High End verantwortungsvolle Hingabe an die Sache seitens des Herstellers bis hin zur Fertigstellung des Produkts. Und schließlich können High-End-Produkte vor allem wegen ihres höheren Preises nur dort existieren, wo Enthusiasten den zusätzlichen Aufwand würdigen und bereit sind, den höheren Preis zu zahlen.
Allerdings kann im Umkehrschluss nicht alles, was einen hohen Preis hat, auch als High End bezeichnet werden. Diese Tatsache macht es den Kunden schwer zu erkennen, wo genau High End anfängt (und sich die Investition tatsächlich lohnt) und wo es sich nur um einen Begriff handelt, mit dem HiFi-Geräte um der höheren Gewinnspanne Willen unangemessen teuer verkauft werden. Als mir ein Freund (und unschätzbarer Unterstützer während der Bauphase unseres Hörraums) vorschlug, Heinz-Peter Völkel zu kontaktieren und ihn zu bitten, mir einige Symphonic Line-Produkte zum Testen zu schicken, war ich deshalb unsicher, was mich erwarten würde. Immerhin hatte ich meine HiFi-Anlagen mit großer Sorgfalt und ausgewählten Klassikern der Branche eingerichtet. Den Hörraum hatte ich soeben fertiggestellt, mit Akustik-Absorbern ausgestattet und war mit dem Ergebnis tatsächlich sehr zufrieden. Was konnte ich über die Produkte von Symphonic Line sagen, außer dass auch sie großartig klangen?
Da ich immer noch nicht überzeugt war, schlug Heinz-Peter vor, dass wir uns auf den Norddeutschen HiFi-Tagen in Hamburg treffen sollten, wo Symphonic Line einen Raum von moderater Größe in der dritten Etage gebucht hatte. Als ich eintraf, fand ich Heinz-Peter und Rolf Gemein vor, die abwechselnd die Symphonic Line Produkte mit verschiedener Musik präsentierten. Nachdem ich bereits einige Stunden auf der Messe verbracht hatte, um mir verschiedene HiFi-Anlagen anzuhören, empfand ich die Musikauswahl an diesem Stand erfrischend und den Klang der Symphonic Line-Anlage aufgeräumt und anspruchsvoll. Das war mehr, als viele der anderen Stände zu bieten hatten, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass die Produkte dieser Manufaktur für mich tatsächlich eine Entdeckungreise wert sein könnten. Ein paar Tage später sprachen Heinz-Peter und ich darüber, wo ich meine Erkundungen am besten beginnen sollte. Wir waren uns schnell einig, dass es für den Blog hilfreich und lehrreich sein könnte, die Produkte von Beginn an kennen zu lernen. Und so starten wir unsere Geschichte mit einem RG9 MK3 aus der Zeit um 1995.
Es scheint, dass verchromtes Aranja (oder Grapefruit) damals zu den angesagtesten Farben für High-End-Produkte zählte, und der RG9 erfreut sich dieser glänzenden Oberfläche auf Basis eines Chassis aus gebogenem Messing, das 2 mm stark ist und von einer 10 mm starken Frontplatte geziert wird. Mit anderen Worten: Dieser Verstärker fühlt sich extrem solide an und ist ziemlich schwer. In der häuslichen Umgebung wirkt seine Oberfläche wie ein getönter Spiegel, was dem RG9 eine chamäleonartige Präsenz verleiht, die ihn aus manchen Winkeln besser und aus anderen weniger gut sichtbar macht. Beim Fotografieren habe ich versucht, alle Reflexionen zu minimieren, um die genauen Merkmale und Abmessungen des Geräts zu zeigen. Dabei habe ich auch einige der Flecken und Wunden enttarnt, die sich im Laufe seines 30-jährigen Lebens angesammelt hatten. Im täglichen Betrieb würden diese kaum auffallen, da man nur selten über den Spiegeleffekt hinaussehen würde. Außer auf diesen Fotos ist das Gehäuse des RG9 in Aranja kaum zu enttarnen.
Das Symphonic Line-Logo, die Modellbezeichnung RG9 MKIII und die Beschriftung der Bedienelemente sind auf der Frontplatte eingraviert. Als Erstbenutzer fand ich diese Beschriftungen manchmal schwer zu lesen, besonders wenn ich das Gerät bei schlechten Lichtverhältnissen bediente. Mir ist auch aufgefallen, dass die Position der Drehknöpfe nicht leicht zu bestimmen ist. Bei drei Drehknöpfen gleicher Größe, Farbe und Gestaltung war es vermutlich am besten, sich die Funktionen der einzelnen Regler einzuprägen, bis man sie ohne hinzuschauen bedienen konnte. Von links nach rechts gehend ist der erste Knopf eigentlich ein Drehschalter, der den RG9 ein- und ausschaltet, in meinem Aufbau ohne dass ein Schaltgeräusch auf den Lautsprechern zu hören ist. Der nächste Regler zur Rechten ist der Eingangswahlschalter, mit dem zwischen den Quellen gewechselt wird, ebenfalls ohne hörbare Geräusche. Der dritte Regler schaltet schließlich zwischen dem Tape Monitor und dem Line-Signal hin und her.
Der Lautstärkeregler ist der vierte und letzte Drehknopf in dieser Reihe und zeichnet sich durch seine größeren Abmessungen aus. Als ich zum ersten Mal daran drehte, war ich etwas enttäuscht, dass es sich nicht um ein gerastertes Poti handelte, sondern um einen sanft angleitenden und stets leicht zu bewegenden Regler. Inzwischen habe ich gelesen, dass es sich um ein Doppelmono-Design handelt, welches von hoher Qualität ist. Ich persönlich bevorzuge jedoch gestufte Regler, weil sie mir helfen, die Hörlautstärke in Schritten zu merken. Zum Beispiel drehe ich die Lautstärke an meinem Restek V1-Vorverstärker normalerweise um zwei Stufen zurück, wenn ich von Phono auf CD umschalte. Solche hilfreichen Anhaltspunkte fehlen auf dem RG9-Drehregler. Positiv zu vermerken ist, dass die Rückseite des RG9 viel leichter zugänglich ist, als die des Restek. Alle Chinch/RCA-Buchsen sind leicht zu erreichen und haben ausreichend Platz dazwischen, um die meisten HiFi- und High-End-Kabel aufzunehmen.
Für Phono stehen zwei Chinch/RCA-Buchsenpaare zur Verfügung, von denen ein Paar zur Erhöhung der Eingangskapazität mittels Aufsteckadaptern verwendet werden kann. Außerdem befindet sich auf der Rückseite ein Schalter für MM- und MC-Tonabnehmer. Dieser Schalter hat mich einen Moment lang Nerven gekostet, denn bei meinen ersten Versuchen wollte er die Einstellung für MM nicht aktivieren. Anscheinend wurde der RG9 über einen längeren Zeitraum ausschließlich mit MC-Tonabnehmern verwendet, und die Schaltung hatte sich in dieser Position festgeklemmt. Dies ist tatsächlich ein häufiges Problem bei Relais, die über einen längeren Zeitraum hinweg nicht benutzt werden, egal wie gut sie gebaut sind. Ich wollte jedoch nicht einfach aufgeben, und nach einigen weiteren Versuchen rastete das interne Relais deutlich hörbar in der neuen MM-Position ein.
Die hochwertige Drehklemme zum Anschluss des Massekabels ist ausreichend groß dimensioniert und in der Nähe des Phonoeingangs platziert. Das ist in der Tat praktisch, wenn man den RG9 mit Vintage-Plattenspielern koppeln möchte, die häufig noch ein fest verbautes Tonarmkabel mit angehängtem Erdungskabel haben. Für die Verbindung des Verstärkers mit den Lautsprechern gibt es einen Stereosatz WBT-Terminals. Sie eignen sich sowohl zum Anschluss von Bananensteckern als auch für blanken Draht oder Kabelschuhe, je nach Vorliebe. Alle Ein- und Ausgänge, einschließlich der Drehklemme für das Erdungskabel, sind mit 24 Karat vergoldet. Wie auch bei unserer Restek-Vorstufe biegt sich die Rückwand des RG9 beim Aufstecken sehr eng anliegender Stecker leicht nach innen. Dieser Eindruck gefällt mir an beiden Geräten nicht wirklich gut, und ich hätte mir gewünscht, dass die ansonsten so robust anmutende Rückwand an der Oberschale des Verstärkers etwas zusätzlichen Halt findet.
Auch, wenn er auf einem HiFi-Rack platziert nicht gleich so massiv anmutet, bemerkt man doch, dass bei der Herstellung ausschließlich hochwertigste Materialien verwendet wurden, sobald man den Verstärker bewegen möchte. Bei rund 18 kg ist es jedesmal eine kleine Herausforderung, ihn auf einen Tisch oder in ein Rack zu heben. Wie auf den Fotos zu erkennen ist, sind die Originalfüße nicht sehr hoch. Das macht es schwierig, die Finger beim Anheben unter den Verstärker zu bekommen, und auch das Abstellen ist eine Herausforderung. Ich hätte mir gewünscht, dass die Füße zumindest hoch genug wären, dass die Finger beim Umstellen der Anlage nicht unsanft gequetscht zu werden. Ich habe manchmal gehört, dass sich High-End-Produkte und Komfort gegenseitig ausschließen, und ich denke, ich habe in diesem Bericht inzwischen genügend Beweise dafür gesammelt, dass diese Beobachtung nicht unbegründet ist. Doch Sportwagen sind ja auch nicht wirklich komfortabel — aber sehr, sehr sexy.
Für den Start meiner audiophilen Erkundungstour konnte ich aus vier HiFi-Ketten wählen. Ich wog die Vor- und Nachteile eines jeden HiFi- Setups ab und entschied mich, den RG9 zunächst an der am wenigsten komplexen Kette kennenzulernen. Als Musikquellen dienten ein Philips GA 212-Plattenspieler mit einem AT VM95 E-Tonabnehmer der Einstiegsklasse, sowie ein Pioneer PD-S604-CD-Player, der vor kurzem mit einer Anti-Resonanz-Matte auf der Innenseite des Gehäuses nachgerüstet worden war, um das ohnehin sehr gute Laufwerk weiter zu stabilisieren. Beide Geräte galten in ihrer Klasse als musikalisch, aber keineswegs als High End. Wie gewohnt wurden sie mit Silver Solid-Core Chinch/RCA Verbindungskabeln des hier im Forum vorgestellten HBS4-Typs an den RG9 angeschlossen.
Als Lautsprecher dienten ein Paar Epicure EPI 500 mit 10-Zoll-Tieftönern und zwei 12-Zoll-Passivstrahlern pro Box. Auch sie galten als recht musikalisch, obwohl sie eine messbare Senke im Frequenzgang im Übergangsbereich zwischen dem Tieftöner und den Passivmembranen aufwiesen. Das Erdungspotential zwischen den Geräten war harmonisiert, und die Lautsprecher wurden im großen Studio so aufgestellt, dass sie eine möglichst lineare Wiedergabe erzielen können. Wie immer habe ich mit Hilfe der akustischen Berechnungsblätter, die mir Peter Englisch zur Verfügung gestellt hat, die Grundpositionen bestimmt und dann die restlichen Zentimeter von Hand ermittelt. Schließlich erfolgte die exakte Abstimmung der Stereokanäle mit einem Lasermessgerät. Hinter dem Rack kreuzten oder berührten sich keine Signal- oder Stromkabel gegenseitig. Die Netzspannung wurde vom Sicherungskasten direkt in das System eingespeist, um Störungen zu vermeiden.
Meine ehemaligen Komponenten an dieser Stelle, eine kleine Rotel-Vorstufe mit verbesserter Schirmung (kein schwieriges Upgrade, wenn man bedenkt, dass die ursprüngliche Bodenplatte aus Kunststoff war) und eine handgefertigte Becker-MOSFET-Endstufe, lieferten bereits eine punktgenaue Phantommitte, eine nahtlose Abbildung von links nach rechts, tonale Plastizität und Glaubwürdigkeit. Kurz gesagt, es gab wenig an meinem ursprünglichen Setup, was meine Ohren störte, was besonders herausstach oder was offensichtlich fehlte. Die Stärken der Becker-Endstufe waren ihre riesigen Kondensatoren von je 64.000 uF und ihre vier Hitachi MOSFET J49-Transistoren. Ihre Schwächen lagen fast überall sonst, von ihrem unterdimensionierten Transformator bis hin zu ihrer eigenwilligen Verkabelung. Schließlich waren es die Ruhe und Ordnung im Klang, die mich über lange Zeit an der Becker faszinierten.
Beim Umstieg auf den RG9 MK3 behielt ich die Peripherie, d.h. unsere Audioplan PowerCord S und die Belden 9497-Lautsprecherkabel bei. Ich wusste sicher, dass die PowerCord S ein ausgereiftes Kabel von symmetrischem und resonanzarmem Aufbau ist, und die Beldenkabel hatten sich als hervorragende Spielpartner für Vintage-Lautsprecher erwiesen. Der Grund für meine Entscheidung war, dass ich nicht mehr als eine neue Komponente auf einmal einführen wollte. Ich schaltete die Anlage ein, legte eine CD ein und verließ den Raum für die nächsten 30 Minuten. Als ich anschließend wieder eintrat, wurde ich von einem ruhigen und kultivierten Klang begrüßt. Ich setzte mich in meinen Sessel, um der Musik zu lauschen, und war tief beeindruckt von der klanglich warmen und dennoch spannenden Erzählweise dieses Systems. Besonders gefiel mir das breite Spektrum an Klangfarben, die, jede für sich, in der Lage sind, Musik mit Erinnerungen zu verbinden.
Die letzten Spuren statischen Flirrens, der Zischlaute und des Dunstes des Rotel-Becker-Combos waren verschwunden. Stattdessen gab es reichlich Raum für die individuellen Nuancen von Klavier, Streichern und Bläsern. Zu der verbesserten Trennung von Klangereignissen kam die höhere Leistung des RG9 hinzu, welche die Bässe der EPI 500 besser im Griff hatte. In dieser Kombination zeigten sich auch hier mehr Nuancen und mehr Textur. Die musikalische Darbietung wurde dadurch stets mit souveräner Sicherheit vorgetragen. Wie ein Künstler, der zu jeder Zeit aus dem Vollen schöpft, war diese dabei gleichzeitig einfühlsam und kühn. Das soll nicht heißen, dass der RG9 seine audiophilen Qualitäten bei jeder einzelnen Platte ausspielen würde. Wo bereits die Aufnahmen ihre Grenzen hatten, zeigte auch der RG9 diese recht deutlich auf. In diesem Sinne wirkte der musikalische Charme zu keiner Zeit ‘aufgesetzt’. Vielmehr wurde jedes Musikereignis maßvoll und ehrlich präsentiert.
Till Brönners Titel "A distant Episode" zeigte die erstaunlich dreidimensionale Abbildung des Pioneer CD-Tellerlaufwerks in Kombination mit Legato Link. Patrick Kellys Live-Performance von "A Litte Faith" offenbarte eine beeindruckende Tieftonpräsenz mit schnellen Anstiegszeiten des Verstärkers. Anders sah es jedoch bei seinem Titel "Land of Bliss" aus, der nicht dieselbe positive Transformation erfuhr. Peggy Lees "Fever" zeigte großartige Attacke und Decay, gepaart mit einer formidablen Differenzierung zwischen den Materialien der Schlaginstrumente. Cristin Claas' Titel "In the Shadow Of Your Words" präsentierte die vielfältigen Klangfarben des Gesangs, der Nylon- und Stahlsaiten und des Synthesizers. Obwohl die musikalischen Ereignisse oft zeitlich zusammenfielen, gelang es dem RG9, sie während der gesamten Aufführung einzeln darzustellen und in guter Ordnung und Proportion zu halten.
Sean Heels Album "A Dry Scary Blue" kann trotz wiederholter Momente unangenehmen Clippings sehr nah und einfühlsam wirken. Auf dem RG9 klang es jedoch etwas kompakter und weniger luftig, als ich es gewohnt war. Andererseits wirkte Jörg Hegemanns viel gelobtes Album "High End Boogie Woogie" voll und einnehmend. Auf Jörgs Album wurde der Kontrabass von Paul G. Ulrich trennscharf und wunderbar vom Klavier separiert wiedergegeben. Gurgelndtiefe Basstöne erhielten mehr Raffinesse als zuvor, diese waren begleitet von einem erkennbar metallischen Beiklang und mechanischem Raspeln. So dezidiert hatte ich den großen Steinwayflügel noch nicht erlebt, wie zum Beispiel bei dem Song "When you and I were young, Maggie". An den besonderen Klang dieses Flügels konnte ich mich noch aus der Zeit der Studioaufnahmen sehr gut erinnern.
Auf Phono umgeschaltet, strahlte das Album "Badgers and Other Beings" des Helge Lien Trios weiträumig und offen in den Raum, tonal wirkte es gleichzeitig intim und warm. Zusätzlich zu den üblichen Schwenks von links nach rechts fühlte sich die Bühne nun nahtloser und räumlich tiefer an. In meinem Setup war die Phonosektion sehr rauscharm und klanglich aufschlussreich, was sicherlich auch von der jeweiligen Umgebung abhängt. In unserem ländlichen Raum an der Nordsee ergeben sich wenige Störfaktoren. Die Instrumententrennung wurde auch bei schnellen, lauten und überfüllten Passagen beibehalten. Nachdem ich einige Zeit mit dem Hören verbracht hatte, vermutete ich, dass die einzigen noch limitierenden Faktoren die Lautsprecher und der Einsteiger-Tonabnehmer von Audio Technika sein mochten. Ich war gespannt, wie sich der RG9 in Kombination mit transparenteren Geräten, die in der Rangordnung weiter oben angesiedelt waren, schlagen würde.
Unsere zweite Testumgebung bestand aus einem Marantz CD-17 CD-Player, einem Thorens TD 320-Plattenspieler mit einem Audio-Technica VM95 ML-Tonabnehmer (beide ebenfalls über Silver-Solid Core mit dem RG9-MK3 verbunden), sowie elektrostatischen Martin Logan SL3-Lautsprechern, die über ein Y-Kabel an den Verstärker angeschlossen waren. Bei Hybrid-Lautsprechern hatte diese Art der Verkabelung den Vorteil, damit sowohl das elektrostatische Panel als auch den dynamischen Tieftontreiber der SL3 separat anzusprechen und auf diese Weise die Rückstromführung zu verbessern. Dennoch sorgte ein einziger Kontaktpunkt auf der Seite des Verstärkers für die Wahrung eines homogenen Klangbildes.
In seiner neuen Position sollte der RG9 MK3 eine RGR Model 4 Vorstufe ersetzen, die mit einer B&K ST140 Endstufe gepaart war. Es handelte sich um eine wohlklingende Kombination, die in der Lage war, feine Melodien nachzuzeichnen und aufschlussreiche Präsentationen zu liefern. Mit seinen noch moderaten 105 Watt pro Kanal wirkte der ST140 trotz seiner hohen Strombelastbarkeit bisweilen etwas schwach auf der Brust für die SL3, um auch bei gehobener Lautstärke noch die volle Attacke zu liefern.
Ich begann damit, über den Marantz CD-17 zu hören und bemerkte schnell, dass die Musik nahtloser und das Klangbild dadurch konsolidierter wirkten. Da elektrostatische Lautsprecher sowohl nach vorne als auch nach hinten abstrahlen, ist ein perfektes Timing erforderlich, um die Lautsprecher im Raum ‘unsichtbar’ zu machen. Bei meinem üblichen RGR/B&K-Setup fühlte sich die Bühnenabbildung im Übergangsbereich zwischen dem linken Lautsprecher und dem linken Teil der Bühne, sowie zwischen dem rechten Lautsprecher und dem rechten Teil der Bühne, oft nicht ganz korrekt an, so dass einige Instrumente oder Noten deplatziert nach vorne sprangen. Dieser Effekt verringerte sich nun erheblich, und die Musik umspielte die Lautsprecher von ganz links bis ganz rechts. Auch die Integration der Tieftöner wurde verbessert, so dass schnellere und lautere Musik mehr Spaß macht.
Als ich auf Phono umschaltete, war ich angenehm überrascht, dass ich keinen Verlust an Dynamik erlebte, wie es allzu oft der Fall ist. In diesem Aufbau verwendete ich das originale Symphonic Line-Netzkabel und war beeindruckt von seinem Beitrag zur Performance des RG9, besonders im Vergleich zu unserem eher günstigen und mit Geflecht geschirmten Lapp-Ölflex-Kabel, das ich nach nur wenigen Minuten des Hörens bereitwillig ersetzte. Die Fähigkeit eines Netzkabels, ein System musikalisch richtig klingen zu lassen, erstaunt mich tatsächlich immer aufs Neue.
Nachdem ich mir das Album "Guzuguzu" des Helge Lien Trios angehört hatte, das viele musikalische Einblicke und auch ausreichend Dynamik bot, wechselte ich zu Manu Katchés Album "Neighbourhood". Vor allem Katchés Titel “Rose" verblüffte mich mit der Tatsache, dass ich die beiden Saxophone, die den Refrain zwar gemeinsam, jedoch nebeneinander stehend, spielen, noch nie so deutlich als zwei Instrumente hatte identifizieren können wie mit dem RG9.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich an Momente aus Ihrer Jugend erinnern, in denen die Party bei Ihnen zu Hause zu Ende war, und während Sie noch Ihren Gästen beim Verlassen des Hauses zusahen, dämmerte es Ihnen allmählich, dass Ihr Haus oder Ihre Wohnung wieder leer sein würde und Sie mit den emotionalen und physischen Nachwirkungen des Events allein gelassen würden? In solchen Momenten wird einem plötzlich schmerzlich bewusst, dass die Rückkehr zum gewohnten Leben einige Zeit und Mühe erfordern würde. Der Kopf schwirrt noch von den vielen neuen Eindrücken, und ich muss an die Worte meines HiFi-Kammeraden Luigi denken: "Wenn du es einmal gehört hast, bekommst Du es nicht mehr aus dem Kopf.”
Und tatsächlich, als ich zu unserer Rotel & Becker-Kombination zurückkehrte, war ein Großteil der tonalen Breite und Fülle, die ich inzwischen als normal akzeptiert hatte, wieder verschwunden. Der Klang wurde heller und schärfer und zeigte leicht komprimierte Mitten. Was mich überhaupt nicht gestört hatte und mir zunächst nur als Upgrade erschien, war für mich inzwischen zu einer wesentlichen Eigenschaft der Musik geworden. Meinem Eindruck nach ist über die Wichtigkeit der tonalen Breite in der Musik noch nicht genug gesagt worden. Während sich der Großteil der HiFi-Diskussion immer noch um Dynamik, Bassleistung oder hochauflösende Dateien usw. dreht, ist das eine Element, das unsere Emotionen anspricht und die Macht hat, uns in unsere Erinnerung zurück zu führen, die richtige Tonalität. Und nach meiner bisher noch kurzen Erfahrung versteht es Rolf Gemein hervorragend, diese Karte zu spielen.
Mehr erfahren:
< High End Society | Symphonic Line RG2 MK3 >