NAD 310

Veröffentlicht: 8.8.2024

Herstellungsdatum: 1994

Autor: Karsten Hein

Kategorie: Gear & Review

Tag(s): Integrated Amplifiers

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Frei aus dem Englischen übersetzt. Hier geht’s zum Original .

Im Sommer 2024 teilten mir Michael und Iris mit, dass sie ihren Urlaub an der Nordsee verbringen wollten. Ich freute mich auf die Gelegenheit, sie wiederzusehen, und konnte es kaum erwarten, Michael unser neues Studio vorzustellen. Da unsere beiden Gästezimmer zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits belegt waren, bot meine Frau Sabina an, den Beiden bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft in unserer Nähe behilflich zu sein. Michael, ein audiophiler Weggefährte, der mir zuvor schon seine wunderbaren Teufel M200-Lautsprecher zum Erkunden geliehen hatte, teilte mir mit, dass er diesmal einen kleinen NAD 310-Verstärker für unsere Hörprobe mitbringen würde. Und obwohl ich NADs viel gepriesenem ‘audiophiler-Klang-für-den-schmalen-Geldbeutel’-Anspruch immer auch ein wenig skeptisch gegenüberstand, war ich froh zu hören, dass mir Michael erneut etwas Neues vorführen wollte.

Meinen bis zu diesem Zeitpunkt einzigen Eindruck eines NAD-Systems, hatte ich während eines Besuchs bei meinem ehemaligen Englisch-Dozenten Martin von Schilling in Bayreuth gewinnen können. Und, obwohl seitdem mehr als 25 Jahre vergangen waren, hatte ich die Spielweise des HiFi-Systems immer noch als sehr musikgetreu in Erinnerung. Selbstverständlich war die Musikauswahl, die wir damals hörten, ganz anderer Natur als die Jazz- und Klassikaufführungen, die ich heute abzuspielen pflege. So kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie Martin mit meinem Audi 80 über die A3 in Richtung Frankfurt bretterte, während G&R „Mr. Brownstone“ aus meiner Custom-Autoanlage dröhnte. Ich konnte mir deshalb nicht wirklich sicher sein, wie viel meines positiven Eindrucks von Martin von Schillings Heimstereoanlage auf meine damalige Unerfahrenheit in Sachen Klang zurückzuführen war.

Als Michael und Iris an der Nordsee ankamen, verbrachten Sabina, unsere Kinder und ich den ersten Abend mit ihnen am Deich in Friedrichskoog bei Rock- Pop- und Schlagermusik, die von einer lokalen Coverband dargeboten wurde. Die MusikerInnen mussten dabei heftigen Windböen trotzen, und ihre PA-Anlage schien diesen Umstand durch übermäßige Lautstärke zu kompensieren. Nachdem wir also unseren Eindruck von Livemusik zur Genüge aufgefrischt hatten, verbrachten wir den Rest des Abends in einem örtlichen Restaurant und sprachen über Musik, unseren kürzlichen Umzug von Frankfurt an die Nordsee und andere Familienangelegenheiten. Das Bedürfnis nach zusätzlichem Platz für unsere Familie, unsere Sprachschule, aber auch für Explorations in Audio war ein signifikanter Faktor für unsere Entscheidung gewesen, unser Glück jenseits der bekannten Bankenmetropole zu suchen.

In unserem neuen Studio in Marne konnte ich Michael zum ersten Mal drei permanente HiFi-Systeme in einem separaten Hörraum außerhalb des Wohnbereichs der Familie zeigen. In diesem Raum war jeder Lautsprecher so aufgestellt worden, dass eine nahezu lineare Klangwiedergabe in Bezug auf die spezifischen Eigenschaften des Raums und der Hörposition möglich war. Es gab nur wenige parallele Wände, und die Einrichtung war so gewählt worden, dass dadurch die Nachhallzeiten auf ein zuträgliches Maß reduziert wurden. Der großzügige Platz hinter jeder der Anlagen ermöglichte die bequeme Installation der Komponenten und eine einwandfreie Verkabelung. Es war die Art von Spielwiese, von der viele audiophile Hörer für ihr Hobby nur träumen können, und sie stellte gleichsam die Grundlage für meine Beurteilungen der Klangqualität von HiFi-Komponenten dar.

Zum Zeitpunkt von Michaels Besuch bestand meine Referenzanlage aus einem Thorens TD320-Plattenspieler (mit AT VM95 ML-Tonabnehmer und linearem Audiophonics-Netzteil), einem Marantz CD-17-CD-Player (komplett mit Ken Ishiwata-optimierter Ausgangsektion), einem viel gepriesenen Symphonic Line RG9 MK3-Vollverstärker und Martin Logan SL-3-Elektrostaten. Bei den Kabeln handelte es sich um Symphonic Line Harmonie HD (an CD) und Belden 9497 Lautsprecherkabel, die in Y-Bi-Verdrahtung von einem einzigen Kontaktpunkt am Verstärker zu den separaten Hoch- und Tieftonanschlüssen der Lautsprecher geführt wurden. Ein Symphonic Line-Netzkabel und eine optimierte Stromzufuhr - eine gerade Leitung, die von der Anlage bis zum zentralen Sicherungskasten unseres Hauses hin führt - sorgten dafür, dass jederzeit genügend sauberer Strom zur Verfügung stand.

Obwohl der NAD 310 (zumindest theoretisch) auch meine Martin Logan-Lautsprecher hätte antreiben können, verlangten sowohl die elektrostatischen Panels als auch die dynamischen Tieftöner des Logan-Hybriddesigns für einen optimalen Betrieb nach einer Endstufe mit höherer Wattzahl und hätten sich von den mageren 20 Watt RMS pro Kanal des NAD vermutlich nicht besonders beflügelt gefühlt. Meine Tannoy XT8f-Lautsprecher jedoch, die Bestandteil der HiFi-Anlage links daneben waren, ließen sich mit durchschnittlich 8 Ohm und einer hohen Empfindlichkeit von 91 Dezibel relativ leicht antreiben. An diese Kette schlossen wir den NAD 310 an.

Hier bestand das Frontend aus einem Pioneer PD-S705 CD-Spieler, der einst durch sein revolutionäres Plattenteller-Laufwerk und die umgekehrte CD-Platzierung für Aufsehen gesorgt hatte. Da der NAD 310 nicht über eine integrierte Phonostufe verfügt, fanden wir uns mit dieser Tatsache ab und unternahmen keine Versuche, einen Plattenspieler z.B. über eine externe Phonostufe anzuschließen. Bei den Kabeln handelte es sich um Stager Silver Solid Core Interconnects von CD und Symphonic Line Harmonie HD-Kabeln in Single Wiring zu den Lautsprechern. Für die Verbindung zwischen den Hoch- und Tieftönern der Tannoy verwendeten wir massive Kupferdrahtbrücken von 4 mm Durchmesser. Die Lautsprecher wurden auf ihren aretierbaren Spikes positioniert, welche die Tannoys stabil auf unbeweglichen 38 kg schweren Steinplatten in Position hielten. Diese Infrastruktur war sicherlich nicht alltäglich für den erschwinglichen NAD 310 und versprach daher, interessant zu werden.

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Michael und ich begannen unsere Hörsession mit einem Live-Auftritt der deutschen Tom Waits-Coverband „Bad As We“, welchen der ehemalige Tontechniker des Bayerischen Rundfunks, Andreas Sandreuther, und der Nürnberger analog-treff-Gründer Heinz-Peter Völkel direkt auf eine analoge Tonbandmaschine aufgenommen hatten. Live||Tape heißt ihr neues (rein analoges) Label, und selbst beim Remastering für CD blieb noch viel vom Dynamikumfang und Realismus der Originalaufnahme erhalten. Michael und ich hatten uns die CD zuvor auf großen Vor- und Endstufenkombinationen angehört und waren nun tatsächlich überrascht darüber, dass mit dem NAD 310 sehr viel von der ursprünglichen Dynamik, Tonalität und Dimension erhalten blieb. Diese hervorragende Performance war besonders verblüffend, wenn man die bescheidene Größe, das geringe Gewicht und die winzigen Platinen des NAD bedenkt.

Was man mit seinen eigenen Ohren wahrnimmt, lässt sich oft nur unzulänglich in einem schriftlichen Bericht erfassen. Und ich muss gestehen, dass uns kaum etwas, was wir über den NAD zuvor hätten lesen können, auf dieses Ereignis vorbereitet hätte. Denn mit geschlossenen Augen und bei normaler Hörlautstärke hätten wir den Klang des NAD 310 ganz sicher mit dem einer Vor- und Endstufenkombination verwechselt, und dies sogar mit einer sehr guten. Im direkten Vergleich mit meinem Restek V1 und Echle LF-3519 Setup wirkte der NAD weniger kraftvoll und ließ gelegentlich etwas Biss bei den Klaviertönen vermissen. Bei zahlreichen Aufnahmen erwies sich diese Spielweise jedoch eher als Vorteil, denn als Nachteil. Trotz des Verlustes so mancher Spitze und Kante eines Musikereignisses gelang es dem NAD 310 dennoch, eine ausgezeichnete Tonalität und Homogenität zu wahren und durchweg einen nicht-ermüdenden und dabei sehr musikalischen Klang zu bieten.

Stimmen wurden mit natürlichem Detail und erkennbarem Timbre wiedergegeben, und die Klangbühne zeigte eine ähnliche Breite und Tiefe, wie ich es von meinen separaten Komponenten gewohnt war. Im direkten Vergleich mit dem Restek V1 und Echle LF-3519-Setup bot der NAD 310 etwas weniger freien Raum um die Instrumente herum, so dass jedes klangliche Ereignis zeitlich und räumlich näher am Nächsten zu liegen schien. Dies wurde besonders deutlich, als wir zu Helge Liens Jazz-Album „No. 10“ wechselten, das auf höchst angenehme Weise mit dem Raumgefühl des Hörers spielt. Nachdem Michael nun schon eine Weile mit mir Singer-Songwriter und Jazzmusik gehört hatte, fragte er, ob ich auch etwas an elektronischer Musik zur Hand hätte.

Ich dachte zunächst an eine Boris Blank-CD, doch dann erinnerte ich mich, dass ich gerade über ein Culture Beat-Album von 1993 gestolpert war, welches in einem der kostenlosen Mitnahmeregale in den Straßen von Husum gestanden hatte. Für uns beide war es schon Jahre her, seit wir das letzte Mal eine Torsten Fenslau-Produktion gehört hatten, und wir mussten über die Unwahrscheinlichkeit dieser Idee schmunzeln. Michael erinnerte sich daran, dass auf dem Album „serenity“ Titel Nummer drei „got to get it“ mit Vocals von Tania Evans früher sehr beliebt gewesen war. Wir erhöhten die Lautstärke und wurden in die trockenen deutschen Disco-Beats der 90er Jahre zurückversetzt. Der NAD 310 kam auch mit der erhöhten Lautstärke sehr gut zurecht und wirkte zu unserer Überraschung zu keiner Zeit angestrengt oder etwa komprimiert. Die hohe Empfindlichkeit der Tannoys und deren natürliche 6dB-Anhebung im Bass trugen sicherlich ihren Teil zu dieser soliden Leistung bei.

Da wir mit unserem Hörtest des NAD 310 sehr zufrieden waren, beschlossen Michael und ich, unsere Sitzung abzuschließen, indem wir die Culture Beat-CD bei meinem Martin Logan-Referenzsystem (mit RG9 MK3-Verstärker) einlegten, in der Annahme, dass wir so ziemlich dieselbe Musikdarbietung erleben würden. Zu meiner Erleichterung war dies jedoch nicht der Fall. Die Martin Logans erweckten jedes Sample mit einer derartigen Breite, Tiefe und einem solchen Glanz zum Leben, dass die vorherige Aufführung im Vergleich etwas blass und leblos wirkte. Es gab so viele Details und Dimensionen, dass sogar das einfach gestrickte Culture Beat-Discoalbum für mich nun einen Sinn ergab. Ich glaube, Michael und ich waren beide ein wenig überrascht von dieser Veränderung, denn an der Anlage, die wir zuvor gehört hatten, war für uns wirklich wenig 'Falsches' erkennbar gewesen. Im Gegenteil, sie hatte eine exzellente Leistung abgeliefert, die eigentlich kaum Wünsche offen ließ.

Nun, der NAD 310 ist ein preiswerter Verstärker, der weit oberhalb seiner Gewichtsklasse boxt und einige clevere Designentscheidungen enthält, die dieses Kunststück möglich machen. Rachel Cramond schrieb 2012 einen ausführlichen Bericht über dieses Phänomen für die Zeitschrift Gramophone. (Man kann den Artikel ein paar Mal lesen, bevor Gramophone gebührenpflichtig wird). Neben der kostensparenden Reduzierung der elektronischen Bauteile um etwa 50 % gegenüber einer herkömmlichen Endstufe verfügt der NAD 310 über eine reine Class-A-Treiberstufe und eine sorgfältig abgestimmte Kombination aus MosFET- und bipolaren Transistoren. Ein erkennbarer Unterschied zu herkömmlichen A/B-Verstärkern besteht auch in den beiden großen Kondensatoren, die rechts neben dem Kühlkörper auf der Endstufenplatine platziert sind, und zwar zusätzlich zu den Netzteilkondensatoren, die sich unmittelbar neben dem Ringkerntransformator befinden (siehe Foto).

Über die Sekundärkondensatoren stellt der NAD sicher, dass endstufenseitig stets genügend dynamischer Headroom vorhanden ist, selbst wenn der Verstärker nahe der maximalen Lautstärke betrieben wird. Bei einem 20-Watt-Verstärker lassen sich jedoch auch die Grenzen der Anstiegsgeschwindigkeit und der Signaldämpfung nicht leugnen. Daher ist es angebracht, ihn (trotz hoher Stromfestigkeit) mit einer reaktionsschnellen Elektronik am Eingang und empfindlichen Lautsprechern am Ausgang zu kombinieren. Meine Wahl von schirmlosen Silberkabeln und den wirkungsgradstarken Tannoy-Lautsprechern hat in dieser Hinsicht sehr gute Ergebnisse geliefert.

Obwohl sich der NAD 310 bereits seit längerem in Michaels Besitz befand, hatte er ihn noch nie in einer so dezidierten Hörumgebung und so sorgfältigen Aufstellung gehört und war daher doch ziemlich überrascht, wie sehr die gute Leistung des Geräts auch von der Peripherie abhing. Und ich hatte noch nie ein Gerät in dieser erschwinglichen Preisklasse gehört, das sich in einer solchen Umgebung so respektabel behaupten konnte. Ich jedenfalls werde NADs eher unterdimensioniert wirkende Verstärkerkonstruktionen von nun an mit mehr Respekt begegnen. Denn eines kann ich Ihnen versprechen: Unter normalen Haushaltsbedingungen werden sämtliche Einschränkungen, die Sie in Verbindung mit dem NAD 310 wahrnehmen können, höchstwahrscheinlich durch die Einbindung in die Peripherie verursacht und nicht durch diesen Verstärker selbst.

Technische Daten

Leistungsverstärker

  • Typ: Integrierter Transistor-Stereo-Verstärker
  • Transformator: 100 VA, Ringkern
  • Leistungsaufnahme (max.): 92 Watt
  • Ausgangsleistung (RMS, 8 Ohm): 2x 20 Watt
  • Ausgangsleistung (RMS, 4 Ohm): 2x 30 Watt
  • Ausgangsleistung (RMS, 2 Ohm): 2x 40 Watt
  • Hochstromstabilität: < 2 Ohm
  • Frequenzbereich (+0,3dB): 20 - 20.000 Hz
  • Frequenzbereich (+/-3dB): 10 - 70.000 Hz
  • Harmonische Verzerrung (@25 Watt, 8 Ohm): <0.05%
  • Signal-Rauschabstand: 100 dB
  • Eingangsempfindlichkeit (Nennleistung @ 8 Ohm): 1V
  • Signaldämpfung (50 Hz): >100
  • Anstiegsrate: >20 V/usec

Vorverstärker

  • Phono-Sektion: nicht verfügbar
  • Line-Eingänge: CD, Video, Tuner, Tape, Auxiliary
  • Eingangsimpedanz: 80 kOhm + 220 pF
  • Eingangsempfindlichkeit: 210 mV
  • Eingangssignal (max.): >10 V
  • Signal-Rauschabstand (1 Watt): 93 dB
  • Signal-Rauschabstand (max. Leistung): 106 dB
  • Infraschallfilter: -3 dB bei 10 Hz (12 dB pro Oktave)
  • Hochtonanpassung: +/- 7 dB bei 100 Hz
  • Bassanpassung: +/-6 dB bei 10 Hz
  • Abschaltbare Tone-Controls: ja

Allgemein

  • Herstellungsland: Taiwan R.O.C.
  • Abmessungen: (B) 435mm x (H) 65mm x (T) 250mm
  • Gewicht: 5 kg
  • Jahr(e): 1995
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