eiaudio’s fünfter Jahrestag

Veröffentlicht: 9.6.2025

Autor: Karsten Hein

Kategorie: Explorations

Tag(s): Contemporary

Zu den Kommentaren
Frei aus dem Englischen übersetzt. Hier geht’s zum Original .

Ich schreibe diese Zeilen zum fünften Jahrestag von eiaudio und stelle fest, dass sich die Welt mit ihren Technologien und Zukunftsaussichten für uns seither dramatisch verändert hat. Im Frühjahr 2020 erlebten Bürger rund um den Globus die von ihren Regierungen verhängten Ausgangssperren, eingeführt, um der raschen Ausbreitung der Covid-19 Grippe-Pandemie entgegenzuwirken. Damit ihre Geschäftstätigkeit während dieser Einschränkungen aufrecht gehalten werden konnte, verlagerten viele Unternehmen große Teile ihrer Kommunikation und ihres Betriebs auf Cloud-basierte Server und Online-Plattformen. Dies läutete das größte und wichtigste synchrone Daten-Upload der Weltgeschichte ein. Während der Betrieb der Sprachschule meiner Familie für mehrere Wochen geschlossen war und unsere beiden Kinder aufgrund der Beschränkungen dem Kindergarten und der Grundschule fernbleiben mussten, tippte ich meinen ersten eiaudio-Artikel auf meinem Smartphone. Ich wollte die Geschichte der High-Fidelity (Hi-Fi) von Anfang an erzählen und nannte diesen daher: „Die Stromquelle“.


Mein Ziel war es, das, was ich über HiFi-Anlagen und -Geräte gelernt hatte, mit Gleichgesinnten zu teilen. Ich wollte meine Entdeckungen für die Zukunft an einem einzigen zuverlässigen Ort dokumentieren, meine Leser ermutigen, selbst neue Entdeckungen zu machen und dabei ihren Ohren zu vertrauen. Dabei ging es mir auch um die Erschaffung einer alternative Plattform zu dem Sprachschulbetrieb meiner Familie, da dieser offenbar jederzeit auf Zuruf geschlossen werden konnte, wie uns die Corona-Zeit klar gemacht hatte. Auf der Grundlage wahrheitsgetreuer persönlicher Reflexion sollte mein Blog zu einem Wegweiser audiophiler Integrität werden, der allein durch den Umfang meiner Erfahrung und meines Verständnisses begrenzt war. Diese starke Basis persönlicher Beobachtungen erwies sich als vorteilhaft für die Rezeption der Website, und schon bald zog eiaudio.de jeden Monat weit über 10.000 Besucher an, die dort viele weitere Artikel lasen.


Heute ist mein eiaudio-Blog noch wesentlich einflussreicher als in den obigen Zahlen dargestellt. Er hilft Menschen rund um den Globus, sich eine Meinung zu Themen wie HiFi-Setups, Raumakustik, Vintage-Geräte und Hörverständnis zu bilden. Doch in vielen Fällen brauchen die Menschen, die von meinen Artikeln profitieren, meine Seite nicht mehr zu besuchen. Stattdessen bitten sie einen KI-Bot wie Chat GPT, die Informationen in ihrem Auftrag zu sammeln. Da die meisten menschlichen Daten und Erfahrungen heute online verfügbar sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand einen Algorithmus entwickelt, der aus diesem umfangreichen Pool menschlicher Arbeit schöpfen kann, ohne dass der Benutzer jedes Mal selbst die Quellen besuchen muss, die diesen Pool speisen. Und das ist noch nicht alles: KI-Bots können nicht nur Informationen aus dem Web herausholen, sondern jetzt selbständig auch Daten organisieren, um damit gesprochene und geschriebene Texte, Bilder und auch Musik zu erstellen. Unterm Strich bedeutet dies, dass der kreative Output, der einst nur uns Menschen vorbehalten war, fortan von Bots automatisiert wird. Und diejenigen, die wie ich ihre Erkenntnisse online teilen, füttern sie kostenlos. 


In nicht so ferner Zeit werden unsere soziale Stabilität und Ordnung, unser Sinn für Gerechtigkeit, unser persönliches Engagement und unsere soziale Widerstandsfähigkeit gleichzeitig auf die Probe gestellt, während die KI uns in rasantem Tempo in völlig unbekanntes Gebiet führt. Einige Branchen werden von diesen Veränderungen früher betroffen sein als andere. Die Musikindustrie zum Beispiel war bereits gezwungen, den Wandel vom High-Fidelity-Sound der 1960er bis 1990er Jahre (der zunächst auf Vinyl und später auf CD-Verkäufen basierte) über den iPod (mit überwiegend MP3 als Grundlage) zu den HighRes-Streaming-Diensten unserer Zeit zu vollziehen. Angesichts des lokalen Überflusses an Musik aufgrund der gleichzeitigen weltweiten Verfügbarkeit aller Titel sind die ehemals großen Budgets der Musiklabels drastisch geschrumpft und mit ihnen die Einnahmen der Künstler, welche die Musiktitel liefern. Da die Einnahmen aus Musikverkäufen auf einem historischen Tiefstand stehen, sind die Preise für Konzertkarten in die Höhe geschnellt. Diejenigen Künstler jedoch, denen es nicht gelingt, ein regelmäßiges Publikum anzuziehen, gehen häufig leer aus.


In den meisten modernen Haushalten ist High Fidelity auf die Klangqualität von Smart-Lautsprechern reduziert worden. Nur noch wenige Menschen nehmen sich die Zeit, ein richtiges HiFi-System einzurichten oder ihre Hörfähigkeiten zu entwickeln. Nur langsam dämmert es uns, dass Informationen ohne Struktur und Kontext Desinformationen sind. So wie hochfrequentes Rauschen den Eisenkern eines Transformators verstopft und ihn daran hindert, richtig zu funktionieren, führt der hilflose Versuch der heutigen globalen Marken, alle Verbraucher gleichzeitig über soziale Plattformen zu erreichen, dazu, dass sich die Menschen auf vielen Ebenen aus der Kommunikation zurückziehen und nicht mehr wissen, was sie glauben können. Es gibt einfach zu viele Unternehmen und zu viele Produkte, die den Verbraucher überfordern, wenn sie alle auf einmal angepriesen werden. Das Pendel der Globalisierung hat sich von der Knappheit der Waren und der lokalen Produktion bis hin zum Überfluss an Waren mit ausbleibender Verbrauchernachfrage bewegt. Der resultierende Eindruck daraus ist die generelle Sinnlosigkeit von allem.


Was nützt es mir, wenn ich Rezensionen schreibe, die überwiegend von Bots gelesen und daher nicht mehr mit meinem Namen und meiner Arbeit in Verbindung gebracht werden? Welchen Sinn haben Fabriken, die immer schneller Produkte herstellen, in denen die Arbeitskräfte aber längst durch automatisierte Prozesse ersetzt wurden. Welche Chancen bleiben Unternehmen, die vergeblich versuchen, Produkte an Menschen zu verkaufen, die ihre gut bezahlte Arbeit verloren haben und nicht länger über die Mittel verfügen, hochwertige Produkte anzuschaffen?

Man könnte argumentieren, dass fünf Jahre nach Covid-19 das ganze Ausmaß menschlicher Gier und Dummheit offensichtlicher ist als je zuvor. Obwohl wir familienbasierte soziale Wesen sind und daher zum Überleben in einem Höchstmaß aufeinander angewiesen sind, belohnt unser derzeitiges Wirtschaftsmodell vor allem Individuen, die am schnellsten mit Produkten und Dienstleistungen aufwarten können, welche die Basis unseres sozialen Gefüges und unserer Umwelt einzureißen drohen.


Während es bei eiaudio um die tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema HiFi geht und darum, sich Zeit für Wertschätzung zu nehmen, führt der aktuelle Trend, uns alle Angebote auf einmal zur Verfügung zu stellen, ganz ohne die Notwendigkeit von persönlichem Verständnis und Wachstum, in eine schmale dunkle Gasse, in der wir nur schlecht darauf vorbereitet sind, auf das was kommt. Ich hätte mir gewünscht, dass sich allmählich eine tiefe Verbindung zwischen den Lesern meines Blogs und mir entwickelt (z.B. über den Kommentarbereich). Das kann natürlich immer noch geschehen, doch da die Zahl der Bot-Besuche stark zunimmt, scheint das Risiko, dass wir uns nie kennenlernen und uns als Hi-Fi-Enthusiasten, Familien und Nationen immer weiter voneinander entfernen, sehr groß zu sein.


Mit audiophilen Grüßen,

Karsten

crossXculture Business Language Training