Veröffentlicht: 18.6.2023
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Audiophile Music
Tag(s): Jazz
Für sein im Jahr 2017 erschienenes Album "Loneliness Road" tat sich Jamie Saft mit dem Bassisten und Komponisten Steve Swallow, dem Schlagzeuger Bobby Previte und dem Singer-Songwriter Iggy Pop zusammen, um darin eine einzigartige und in vielerlei Hinsicht unerwartete Kombination von Talenten zu vereinen. Die große Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen musikalischen Persönlichkeiten der drei Künstler zu einem zusammenhängenden Kunstwerk zu verschmelzen. Während mich diese Idee zunächst faszinierte, konnte ich schnell feststellen, dass der Stil und die Stimmung der gesungenen Passagen deutlich von den Instrumentalpassagen abweichen, was den allgemeinen Mangel an Homogenität, unter dem das Album leidet, nur noch unterstreicht.
Während die Mehrzahl der Titel von "Loneliness Road" für sich genommen recht gut funktionieren, hätte ich mir einen Spannungsaufbau bis hin zu einem Höhepunkt gewünscht, der sich über mehr als nur einen Song erstreckt. Ich hätte wohl erwartet, dass die Verschmelzung von Iggy Pops rauem und energiegeladenem Rock mit Safts und Swallows Jazz-Expertise eine wirklich interessante Dynamik erzeugen würde. Die Umsetzung wirkt jedoch oft gezwungen und unruhig. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Genres und Musikstilen sind schlichtweg zu abrupt und unbeholfen, so dass ich wiederholt das Gefühl erlebe, polternd aus dem Genuss des Albums gerissen zu werden.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Inkonsistenz der gesanglichen Leistungen von Iggy Pop. Während seine unverwechselbare Stimme sicher zu bestimmenden Elementen seiner Karriere gehörte, finde ich, dass sie nicht allzu gut mit den Jazz-infizierten Instrumentalstücken von Saft und Swallow harmoniert. Iggy Pops Gesang wirkt oft deplatziert und angestrengt, es fehlt ihm die nötige Nuance und Subtilität, die erforderlich ist, um sich in der Jazzlandschaft effektiv und harmonisch zu bewegen. Diese Diskrepanz zwischen dem Gesang und dem musikalischen Arrangement trägt noch mehr zum unzusammenhängenden Charakter des Albums bei.
Andererseits gibt es auch einige positive Aspekte des Albums zu erwähnen. Die instrumentalen Darbietungen von Jamie Saft und Steve Swallow dienen vorzüglich dazu, sowohl ihr musikalisches Können als auch ihre kreativen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ihr Zusammenspiel und ihre improvisatorischen Momente bieten Einblicke in eine meisterhafte Synergie, die ich gerne auf dem gesamten Album erlebt hätte.
Darüber hinaus zeigen die lyrischen Inhalte auf "Loneliness Road" ein Aufblitzen poetischer Selbst-Reflexion und emotionaler Tiefe. Iggy Pops Texte berühren Themen wie Sehnsucht, Isolation und den Zustand des Menschen, auch wenn sie gelegentlich von unpassendem Gesang überschattet werden. In jenen Momenten, in denen den Texten ausreichend Freiraum zum Atmen gegeben wird und sie im Mittelpunkt der Musik stehen, geben sie einen Hinweis auf das verpasste Potenzial des Albums, eine deutlich tiefere emotionale Ebene beim Zuhörer zu erreichen.
Einige Kritiker haben angemerkt, dass die Produktionsqualität von "Loneliness Road" klanglich nur schwer mit anderen Jazz-Produktionen mithalten kann und bisweilen akustisch matschig und überladen wirkt, was es ihnen schwer machte, einzelne Instrumente zu erkennen und deren musikalische Beiträge voll zu würdigen. Dies ist jedoch eine Eigenschaft, die ich in Zusammenhang mit dem CD Album überhaupt nicht feststellen konnte. Tatsächlich sind die Aufnahmequalität und das Mastering der CD der Grund, weshalb ich das Album in meine Liste der audiophilen Quellen aufgenommen habe. Die Instrumente wirken lebendig und lebensecht mit viel natürlichem Raum um sie herum, was dieses zu einem für audiophile Hörer wertvollen Album macht, das man aus dem Regal ziehen kann, wenn es um die Darstellung natürlicher Instrumente und Gesangsfarben geht.
Aus audiophiler Sicht hätte ich es vorgezogen, wenn das Klavier im Mittelpunkt gestanden hätte, wie es heutzutage bei Musikaufnahmen meist der Fall ist. "Loneliness Road" platziert stattdessen das Schlagzeug von Steve Swallow in der Mitte der Bühne und das Klavier weit rechts daneben. Diese Platzierung verschafft Swallows Schlagzeugspiel viel Aufmerksamkeit, verlangt aber auch, dass der Hörer lange Passagen erträgt, in denen das harmonische Gewicht der Musik nicht im Zentrum steht. Zu Beginn sah ich mich deshalb immer wieder veranlasst, die Position und die Balance der Lautsprecher zu überprüfen, um sicherzugehen, dass das Phänomen nicht durch einen flüchtigen Fehler in meiner HiFi-Anlage verursacht wurde.
Abschließend muss ich gestehen (falls dies nicht ohnehin schon aus meinen Ausführungen klar geworden ist), dass ich persönlich eine Hassliebe zu diesem speziellen Jazz-Album entwickelt habe. Ich ziehe es immer dann aus dem Regal heraus, wenn ich des Gewöhnlichen und Vorhersehbaren überdrüssig bin, und wenn ich in der Stimmung für das Unkonventionelle und Unerwartete, für das Rohe und Ungeschliffene bin. An solchen Tagen stören mich die leichten Irritationen durch die exzentrische Platzierung des Klaviers und durch den fehlenden Zusammenhalt zwischen den Liedern nicht. Ja, bisweilen genieße ich das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden und nicht einfach zu bekommen, was ich zu hören erwarte; vor allem dann, wenn die Leute, die es mir unangenehm machen, Musikprofis auf so hohem Niveau sind.