Veröffentlicht: 3.6.2023
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Music & Talk
Tag(s): Jazz
2014 meldete sich Boris Blank, das enigmatische Musikgenie und Gründungsmitglied des einflussreichen Schweizer Elektronikduos Yello, mit seinem Soloprojekt "Convergence" zurück. Bekannt für seine unverwechselbaren Klanglandschaften und seine experimentelle Herangehensweise an Musik, versprach Blanks neues Album eine fesselnde Reise für Audiophile und Liebhaber elektronischer Musik gleichermaßen zu werden. Die Vocals wurden mit der malawischen Singer-Songwriterin Malia aufgenommen. Doch während "Convergence" einen Schimmer von Brillanz bot, strauchelte es auch in einigen Bereichen, was zu einem faszinierenden, aber dennoch unvollkommenen Hörerlebnis führte.
Convergence beginnt mit "Prologue", einem atmosphärischen und ätherischen Stück, das den Hörer sofort in Blanks musikalisch schlicht gehaltene, aber klanglich experimentelle Sphäre entführt. Die spärliche Instrumentierung und die eindringlichen Melodien schaffen eine Atmosphäre des Geheimnisvollen und der Vorfreude. Die Aufmerksamkeit für klangliche Details und die sorgfältige Produktion sind lobenswert und setzten einen hohen Standard für das, was noch kommen wird. Mit dem zweiten Song "Interference" stellt Blank seine Fähigkeit unter Beweis, komplizierte Klangtexturen zu schaffen. Die pulsierenden Beats, verwoben mit ätherischen Synthieflächen, erzeugen einen hypnotischen Groove, dem man sich nur schwer entziehen kann. Doch trotz der fesselnden Qualitäten des Songs fehlt es ihm an einer klaren Richtung und er schafft es deshalb nicht, den Hörer über die bloße Oberflächlichkeit hinaus zu fesseln.
"Euphoria" ist zweifellos einer der herausragenden Tracks des Albums. Hier beweist Blank seine Meisterschaft in der Klangschichtung und -manipulation. Die üppigen Synthesizer, gepaart mit komplexer Perkussion und ätherischen Gesangssamples, schaffen einen fesselnden Klangteppich, der den Hörer einhüllt. Es ist ein wahres Zeugnis für Blanks Fähigkeit, jenseitige Klangwelten zu schaffen. Während "Fragmented" einige interessante klangliche Ideen aufweist, fällt es in der Ausführung ab. Die unzusammenhängende Natur des Tracks, obwohl absichtlich, führt zu einem Mangel an Kohäsion, der es dem Hörer schwer macht, sich voll auf die Musik einzulassen. Die experimentellen Elemente überschatten die Melodie und die Struktur, so dass der Hörer das Gefühl hat, sich nicht zurechtzufinden und orientierungslos zu sein.
"Resonance" ist wiederum ein Beweis für Blanks Fähigkeit, eindringliche Klangerlebnisse zu schaffen. Seine akribische Liebe zum Detail in der Produktion scheint durch, da die Schichten der Instrumentierung und atmosphärischen Effekte nahtlos ineinander greifen. Allerdings fühlt sich die lange Dauer des Tracks unnötig an, und er hätte von einer prägnanteren Bearbeitung profitieren können, um die Aufmerksamkeit des Hörers aufrechtzuerhalten. Mit "Metamorphosis" wagt sich Blank auf ein experimentelleres Terrain, indem er unkonventionelle Klänge und rhythmische Muster miteinander verbindet. Der Track zeigt zwar ein gewisses Maß an technischem Können, lässt aber die emotionale Tiefe und Resonanz vermissen, die in seinen besten Arbeiten zu finden sind. Er wirkt eher wie eine intellektuelle Übung als ein organischer Ausdruck von Musikalität. Das Album schließt mit "Epilogue", einem düsteren und introspektiven Stück. Die zarten Klaviermelodien, begleitet von atmosphärischen Texturen, rufen ein Gefühl von Melancholie und Nachdenklichkeit hervor. Es ist ein passender Abschluss, der das Album thematisch abrundet und beim Hörer einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Convergence ist ein Beweis für Boris Blanks grenzenlose Kreativität und seine Meisterschaft in der Klangmanipulation. Die Höhepunkte des Albums, wie "Euphoria" und "Resonance", zeigen seine Fähigkeit, faszinierende Klanglandschaften zu schaffen. Allerdings leidet das Album unter gelegentlichen Fehltritten, insbesondere in Tracks wie "Interference" und "Fragmented", wo der experimentelle Charakter die melodischen und strukturellen Elemente überschattet. Trotz dieser Schwächen bleibt "Convergence" eine faszinierende Veröffentlichung, die Fans von Blanks einzigartiger musikalischer Vision zweifellos in ihren Bann ziehen wird.
Anmerkung: In der täglichen Praxis nehme ich dieses Album gelegentlich aus dem Regal, um die klangliche Bandbreite einer bestimmten HiFi-Anlage zu demonstrieren, insbesondere wenn ich diese technikbegeisterten Zuhörern vorstelle. Es eignet sich auch gut, um festzustellen, wie stark ein HiFi-System in der Lage ist, einzelne Klangereignisse auseinanderzudividieren und hinter die einzelnen Samples zu blicken. Es ist sicher nicht das beste Album, um die klangliche Kohärenz einer Anlage zu beurteilen, da es außer Malias Gesang nicht viele natürliche Vergleiche gibt, die man an die erzeugte tonale Landschaft anlegen kann.