Veröffentlicht: 11.4.2024
Autor: Karsten Hein
Kategorie: High Fidelity
Noch bevor wir ein klassisches Instrument zum ersten Mal hören, können wir uns aufgrund der optischen Eigenschaften oft schon vorstellen, wie es ungefähr klingt. Das mag zunächst wie eine kühne Behauptung erscheinen, aber betrachten wir folgende Beispiele: Ein Cello ist ein großes Holzinstrument mit langen, dicken Saiten, während ein Saxophon ein Blechblasinstrument ist, bei dem die Luft mit Druck an einem Rohrblatt vorbei in eine Röhre geblasen wird, die schließlich in ein Horn mündet. Würden wir uns aufgrund der Optik und Materialien nicht vorstellen, dass das Cello warm und hölzern und das Saxophon kühler und blecherner klingt? Und würden wir nicht auch erwarten, dass das größere Cello tiefe Töne spielt und das kleinere und gehörnte Saxophon stattdessen höhere und sehr laute Töne?
Der Klang klassischer Instrumente wird vor allem durch ihre Größe, ihre Form und ihre inneren Abmessungen bestimmt, da diese Merkmale dazu dienen, Räume und Kammern zu schaffen, in denen der Klang des Instruments geformt und verstärkt wird. Die Quelle des Klangs (Saiten oder Rohrblatt) ist meist vom eigentlichen Resonanzraum getrennt. Beim Cello werden die Saiten über einem mit großem Geschick erbauten Hohlkörper zum Schwingen und zum Klingen gebracht. Und beim Saxophon wird ein Rohrblatt durch schnell vorbei strömende Luft in Schwingung versetzt, dessen Klang durch Ventile und Röhren transportiert und schließlich durch den Mund eines Horns weiter verstärkt wird.
Die genaue Abstimmung der Saiten auf den Korpus des Cellos bzw. des Rohrblattes auf die Größe und Form des Saxophons bestimmt schließlich den Klang des jeweiligen Instruments. Bei großartigen Instrumenten ist dieses Gleichgewicht genau richtig gewählt, und kaum jemand käme auf die Idee, dass das Einsetzen eines lauteren Rohrblattes oder die Erhöhung der Saitenstärke den Klang noch wesentlich verbessern würde. Und die meisten von uns würden auch nicht auf die Idee kommen, die Position des Rohrblatts oder der Saiten zu verändern. Stattdessen wird einfach davon ausgegangen, dass die Klangquelle und die entsprechende Kammer perfekt aufeinander abgestimmt sind, damit das Instrument einen optimalen Klang liefert. Tatsächlich ist es genau diese Abstimmung, die jedem Instrument seinen ganz eigenen tonalen Charakter verleiht.
Zu Beginn unserer Reise in Sachen HiFi, könnten wir leicht zu der Überzeugung gelangen, dass größere Lautsprecher oder leistungsstärkere Verstärker das Problem der fehlenden musikalischen Präsenz oder Bass-Performance in unserem Hörraum lösen werden. Die Analogie zu den Instrumenten zeigt jedoch, dass korrekte Berechnungen und die richtige Positionierung der Lautsprecher im Raum mindestens ebenso wichtig sind. Mehr Leistung, Geschwindigkeit und Genauigkeit werden ansonsten in erster Linie dazu dienen, Fehler in der Aufstellung noch deutlicher herauszuarbeiten, was oft der Grund dafür ist, dass selbst sehr teure High-End-Systeme zunächst noch recht unausgewogen in den Häusern ihrer Besitzer klingen.
Je mehr klassische Instrumente wir gehört haben und je mehr Materialien wir angefasst und damit gespielt haben, desto besser können wir den Klang eines Instruments vorhersagen, noch bevor wir es tatsächlich hören. Erfahrung, Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft spielen beim Hören eine wichtige Rolle. Kindern wird oft nachgesagt, sie hätten bessere Ohren als Erwachsene, vor allem wenn es darum geht, hochfrequente Töne wahrzunehmen. Das stimmt wahrscheinlich auch, doch spielt die physische Ohrmechanik nur eine relativ geringe Rolle, wenn es um analytische Hörfähigkeiten geht. So sind Kinder viel häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt als Erwachsene (proportional gesehen und unter Berücksichtigung ihrer eingeschränkten Rolle in der Teilnahme am aktiven Straßenverkehr). Sie hören zwar die Geräusche eines herannahenden Fahrzeugs, doch ihre kognitiven Fähigkeiten sind noch nicht voll entwickelt, um die Kompression der Schallwellen aus der Bewegung deuten zu können. Auch die zunehmende Lautstärke eines herannahenden Fahrzeugs hat für sie nur eine untergeordnete Bedeutung.
Aus demselben Grund muss ich gestehen, dass mir das Thema Raumakustik wenig bedeutete, bis ich zum ersten Mal einen eigenen Raum besaß, den ich selbst neu aufbauen und so die Schritte der Umwandlung aus erster Hand erleben konnte, die notwendig waren, damit es schließlich in dem Raum gut klingen konnte. Erst seit wir im Sommer 2023 nach Marne, einer Kleinstadt an der Nordsee, umzogen, verfügte ich endlich auch über einen Hörraum zum Experimentieren. Dieser recht weitläufige Raum befand sich unter dem Dach des Gebäudes und war ursprünglich als Dachboden genutzt worden. Er hatte sichtbare Balken und man blickte auf die unverblendete Wäremisolierung, die von der Decke baumelte und jeden Moment herunterzufallen drohte. Ich weiß noch, wie ich in diesem Raum in die Hände klatschte und begeistert war, dass kein Echo zu hören war. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in einem "stillen" Raum, perfekt für Hörabenteuer.
Andererseits war der Dachboden auch sehr staubig und immer noch schlecht isoliert. Ungeziefer und Spinnen waren in jeden Winkel eingedrungen, und ich konnte hören, wie der Wind durch die schmalen Ritzen unter den Schindeln wehte. Das war ganz sicher kein guter Ort, um unsere elektrostatischen Martin Logan-Lautsprecher aufzustellen. Hochspannungspaneele sind Staubmagneten, und auch Plattenspieler sollten Staub und Wind besser nicht ausgesetzt sein. Diesen Raum in ein Studio für zukünftige Hörberichte zu verwandeln, würde einige Anstrengungen erfordern. Also machten wir uns an die Arbeit, den Boden neu zu isolieren und eine zusätzliche Schicht OSB-Platten einzubringen. Wir beschlossen, die ursprünglichen Nut- und Federbretter an den Seitenwänden beizubehalten und fügten lediglich eine zusätzliche Isolierschicht an der Decke hinzu, die wir dann mit einer Lage Gipskartonplatten überzogen.
In diesem Stadium der Entwicklung führte das Klatschen in dem Raum zu einem ganz anderen Ergebnis: Der OSB-Boden und die Nut- und Federwände verströmten immer noch eine warme und angenehme Atmosphäre, doch sie reflektierten auch viel Schallenergie, anstatt diese zu absorbieren. Die leicht gewölbte Decke ließ den Raum trotz seiner großzügigen Höhe von drei Metern noch beengter und kastenförmiger wirken mit hörbarem Nachhall. Der Hörraum war 7,80 x 9,20 Meter groß, und so waren die Resonanzfrequenzen erster, zweiter und dritter Ordnung relativ niedrig, beginnend bei 18 Hz. Dennoch gab es viel Zeit für die höheren Frequenzen, um von den Decken und Wänden abzuprallen und mit deutlicher Verzögerung zum Hörplatz zurück reflektiert zu werden.
Positiv zu vermerken ist, dass es in dem Hörraum unter dem Dach viele offenliegende Balken gab, die einem Teil der Nachhallenergie trotzen, und dass drei der Seitenwände ab einer Höhe von etwa 95 cm nach innen geneigt waren. Die Holzverkleidung mit Nut und Feder sorgte ebenfalls für eine gewisse natürliche Ablenkung des Schalls, insbesondere bei den höheren Frequenzen. Und die eine gerade Wand im Raum hatte immerhin eine große Aussparung, die zu einem schmalen Abstellraum im hinteren Bereich führte. Negativ zu vermerken ist, dass unser neuer Hörraum relativ quadratisch war, was dazu führen konnte, dass bestimmte Raummoden zusätzlich verstärkt werden. Und ganz offensichtlich fehlten noch Wohnmöbel und Textilien, die einen Teil der Nachhallenergie absorbieren würden.
Der dringendste erste Schritt war deshalb das Verlegen von Teppichboden, der den gesamten OSB-Boden bedecken sollte. Teppiche eignen sich sehr gut zur Absorption von Schallenergie und können in Kombination mit Läufern verwendet werden, um die Absorptionswirkung noch zu verstärken. Als der Teppichboden verlegt und angetrocknet war, brachten wir dann die ersten Lautsprecher herein und stellten sie wie im Kapitel über die Raummoden-Berechnung beschrieben auf. Ähnlich wie bei klassischen Instrumenten, ist es auch hier wichtig, wo genau der Klangerzeuger aufgestellt wird. Schließlich soll der Hörplatz mit einem relativ linearen Klangbild über alle Frequenzen versorgt werden, welches dem Erlebnis des Toningenieurs beim Abhören der Aufnahme über einen vernünftigen Stereokopfhörer im Studio ähnelt. Damit dies der Fall ist, müssen sowohl die Lautsprecher als auch der Hörplatz im richtigen Abstandsverhältnis zueinander und zum Raum stehen.
Offensichtlich ist unsere Entdeckungsreise an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Der fertig renovierte Raum mit verlegtem Teppichboden klang immer noch deutlich schlechter als der noch unfertige Raum mit offner Decke, in den ich mich ursprünglich verliebt hatte. Lesen Sie das Kapitel zum Thema Raummoden-Berechnung zur Positionierung Ihrer Lautsprecher und das Kapitel über akustische Maßnahmen im Raum (sobald dieses zur Verfügung steht), um mehr über einfache Lösungen für Klangprobleme in Räumen zu erfahren.
Wie immer freue ich mich auf Ihr Feedback, auch zu diesem weiteren Abschnitt der audiophilen Reise. Haben Sie in letzter Zeit auch einen Hörraum eingerichtet? Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse in den Kommentaren mit!
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