32. Raumakustische Maßnahmen

Veröffentlicht: 23.10.2024

Autor: Karsten Hein

Kategorie: High Fidelity

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Frei aus dem Englischen übersetzt. Hier geht’s zum Original .

HiFi-Anlagen finden in der Regel in den Wohn- und Lebensräumen der Familie ihren Platz. Ihre Aufstellung berücksichtigt dabei sowohl akustische als auch praktische und optische Ansprüche aller Mitbewohner. Denn schließlich will der Lebensraum alltagstauglich gestaltet sein. Manche HiFi-Anlagen dienen der Unterhaltung im Wohnzimmer, andere sind Teil einer Mehrkanal-Heimkinoanlage. Audiosysteme können einen geselligen Abend im Esszimmer untermalen oder die Zeit im Arbeitszimmer kurzweiliger machen. Manche sind Teil einer Schlafzimmerausstattung oder stehen im Kinderzimmer. Viele Haushalte haben überhaupt nur einen großen Wohnbereich, der für alles genutzt wird, vom gemeinsamen Kochen bis zur Unterhaltung. Tatsächlich können und möchten sich nur sehr wenige Haushalte den Luxus leisten, einen kompletten Raum, oder gar eine ganze Etage, dem Musikhören zu widmen. Und von denen, die dies tun, haben nur sehr wenige ihr Haus für den Zweck dieses Raumes ausgewählt oder entworfen. Ja, tatsächlich ist HiFi heutzutage oft das Letzte, worauf ein Hauskäufer Rücksicht nimmt.



Dennoch, als Sabina und ich auf der Suche nach einem Zuhause für unsere Familie durch Norddeutschland reisten, stand ich die längste Zeit in diesem kathedralenartigen leeren Raum unter dem Dach unseres heutigen Zuhauses und klatschte ungläubig in die Hände, weil mich auf jedes Klatschen erneut eine sagenhafte Stille als Resonanz entzückte. „Ich will diesen Raum haben!“, dachte ich. „Wir brauchen dieses Haus für unsere Familie, für die Sprachschule und natürlich für meine weiteren Audio-Erkundungen.“ Damals baumelte die Glaswolle-Dämmung aus den frühen 80er Jahren noch in großen Bahnen von der Decke, und der Boden bestand aus einer einzigen Schicht abgenutzter Holzbretter mit klaffenden Spalten dazwischen.



Erste Vorstellung des Hörraums im Sommer 2023
Das Video of YouTube

Von Beginn an war klar, dass wir diesen großartig klingenden Raum nicht in seinem ursprünglichen, unfertigen Zustand belassen konnten. Die unvollständige Dämmung führte zu erheblichen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter. Der Wind blies unbehelligt durch die alten Schindeln und trug Staub und Insekten mit ins Haus. Meine Herausforderung sollte darin bestehen, dieses wilde Biest zu zähmen, ohne ihm gleichsam seinen empfindsamen Geist zu brechen. Dazu musste ich zunächst herausfinden, weshalb der ursprüngliche Raum für akustische Zwecke so hervorragend geeignet war, und sicherstellen, dass ich diese Eigenschaften beibehielt und weiter darauf aufbaute. Ich begann erneut damit, mich in Sachen Raumakustik zu informieren und stellte fest, dass es einige Standards gab, die unser Raum von seinem Wesen heraus bereits erfüllte.



Zum einen hatte der Hörraum fast keine parallelen Wände, welche die spezifischen Resonanzen erster, zweiter und dritter Ordnung akzentuiert hätten. Stattdessen waren die Seitenwände fast drei Meter hoch und ab einer Höhe von etwa einem Meter bis hin zum Dach in einem Winkel von 45° nach innen geneigt. Die Dachstruktur selbst wurde von freiliegenden Holzbalken getragen und mit zahlreichen unebenen Nut- und Federbrettern dazwischen bekleidet. Eine der wenigen geraden Wände entlang der Seite bestand aus unverputzten roten Ziegelsteinen. Der mittlere Teil des Daches hatte eine leichte Kuppelform, die in ihrer Mitte um 30 cm höher ragte als an seinen Rändern. Es gab jede Menge Stellfläche, um Lautsprecher entsprechend ihren akustischen Anforderungen anzuordnen, und erstmals auch genügend Platz für mich, um beim Aufbau hinter jedes HiFi-Rack zu treten. Das bedeutete, dass ich im Bedarfsfall von allen Seiten auf meine Anlagen zugreifen und auf diese Weise gewährleisten konnte, dass sich die Signalkabel nicht versehentlich kreuzten.



Zunächst zog ich einen Akustikexperten zu Rate, um den besten Ausbau für den Raum zu gewährleisten, war jedoch der Meinung, dass seine bevorzugte Kombination aus Dämmung und Estrich für die Struktur des alten Gebäudes zu schwer sein würde. Anstatt also Estrich zu gießen und die Höhen zu nivellieren, verlegte ich eine 30 mm starke Schicht OSB-Platten, die wir im Anschluss mit Teppichboden bedeckten. Es war mir wichtig, die strukturelle Integrität unseres Gebäudes zu erhalten, um Risse im Mauerwerk zu vermeiden. Dies bedeutete jedoch auch, dass ich Mittel finden musste, die Resonanzen zu dämpfen, die direkt durch die Lautsprecher in Richtung Boden abgeleitet wurden. Ich fand heraus, dass 38 kg schwere Gehwegplatten aus Beton, unter jedem Lautsprecher platziert, ähnlich wie Estrich wirken würden. Gleichzeitig ermöglichten mir die Platten, die Spikes der Lautsprecher direkt auf den Beton zu setzen, um dadurch eine größere strukturelle Stabilität zu erreichen. Dadurch verbesserten sich die Klangbühne und die Klarheit erheblich, und die Bodenresonanz wurde um etwa 50 % reduziert.



Ich hatte gelesen, dass effektive akustische Maßnahmen ein Gleichgewicht zwischen Absorption, Diffusion und eventuell zusätzlich Bassfallen erfordern, um Reflexionen, stehende Wellen und Nachhallzeiten zu bekämpfen. Ich begann damit, eine möglichst lineare Positionierung für jedes Lautsprecherpaar und für die entsprechende Hörposition zu ermitteln. Dazu benutzte ich die Berechnungstabellen für Raummoden, die mir Peter Englisch zur Verfügung gestellt hatte. Ich richtete mein UMIK-1-Messmikrofon mit REW-Software ein, um die Charakteristik der Lautsprecher und die Nachhallzeiten des Raums über das Frequenzspektrum von 20-20.000 Hertz zu messen, so wie sie von der Hörposition aus wahrgenommen werden. Manchmal heißt es, dass eine Bedeckung von 30 % der Wandfläche mit absorbierenden Materialien einen relativ natürlichen Klangeindruck vermittelt. In Fällen, in denen typische Haushaltsmittel, wie Bücherregale, Pflanzen, usw., nicht verwendet werden können, sind auch professionelle Schallabsorber aus dem Fachhandel eine Option. 



Im Allgemeinen sollten die absorbierenden Materialien immer dort angebracht werden, wo die Schallwellen der Lautsprecher direkt von den Wänden und von der Decke in Richtung der Hörposition reflektiert werden. Diese Stellen können zum Beispiel ermittelt werden, indem ein Spiegel parallel zu diesen Oberflächen bewegt wird, bis darin die Lautsprecherchassis von der Hörposition aus sichtbar sind.

Zur weiteren Beruhigung der Akustik in unserem Studio nutzte ich die offenen Balken des Raums, um daran schwere Vorhänge in den Ecken und an beiden Seitenwänden entlang zu befestigen. Anstatt diese jedoch offen hängen zu lassen, raffte ich sie mit einem Seil zu großen, weichen Säulen zusammen. Dadurch wurde die Nachhallzeit verringert und Gespräche im Raum wurden zu einem noch angenehmeren Erlebnis.



Statt der sonst üblichen Dachfenster verfügte unser Hörraum nur über kleinere Öffnungen, die mit 30 x 30 cm Elementen aus Plexiglas abgedeckt waren. Diese stellten weniger ein akustisches Problem dar, doch es gab ein 120 x 60 cm großes Fenster zum angrenzenden Kontrollraum, welches einige scharfe Reflexionen verursachte. Ich installierte eine Jalousie aus Holzstreifen, um die Rückreflexionen der Glasscheibe zu zerstreuen. Als ich mich anschließen hinsetzte, um mir das Ergebnis anzuhören, konnte ich immer noch wahrnehmen, dass ich mich in einem großen Raum befand. Ich vermutete, dass die wenigen geraden Wände ausreichten, um diesen Effekt zu verursachen. Ich beschloss deshalb, an den geraden Wänden Absorberelemente zu installieren.



Da wir gerade erst unser Haus gekauft und komplett renoviert hatten, sah ich mich gezwungen, eine möglichst kostengünstige Lösung für Absorber zu finden. Bei meiner Recherche traf ich auf Michael Wynnes YouTube-Kanal „In the Mix“, in dem er in einem Videobericht den Bau von 1210 x 610 x 100 mm großen Akustik-Panels (bestehend aus Holz, Dämmstoffen und Stoffbespannung) beschreibt. Für meinem Nachbau verwendete ich Jutematten (Dichte 45-50 kg/qm) aus recycelten alten Bohnen- und Kaffeesäcken, um speziell die Reflexionen im Hochtonbereich und in den Mitten zu dämpfen. Geschredderte Jute ist zwar eine preiswerte Wahl, hat aber auch einige Nachteile: Der Dämpfungsfaktor ist zwar akzeptabel, doch ganz sicher nicht auf dem Niveau professionellerer Lösungen wie Basotect (zum Vergleich: Steinwolle 50-200 kg/qm). Außerdem rochen meine Panels anfangs unangenehm nach Mäusekot. In meiner Jugend besuchte ich einst meinen Onkel beim Bayerischen Rundfunk und hatte beim Vorbeigehen an einer Studiotrennwand aus Akustikpanel das Gefühl, physisch in ein Vakuum gesaugt zu werden. Eine derart dramatische Wirkung habe ich bei meinen DIY-Absorbern nicht feststellen können.



Um den Raum zusätzlich zu beruhigen, kaufte ich vier große, buschige Pflanzen und stellte sie entlang der Seitenwände auf. Da die Pflanzen in dem Hörraum aufgrund der kleinen Fensterfläche kaum natürliches Sonnenlicht abbekommen würden, fiel mein Wahl auf Kunstpalmen. Aus akustischer Sicht macht es keinen Unterschied, ob eine Pflanze organisch gewachsen ist oder aus Kunststoff besteht. Kunstpflanzen haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie keinen schweren Topf mit Erde benötigen und deshalb leicht an verschiedene Positionen im Raum manövriert werden können, um dort akustische Schwierigkeiten zu kompensieren. Um die Raumreflexionen an der Hörposition weiter zu reduzieren, wählte ich große IKEA Ohrensessel mit hohen und absorbierenden Rückenlehnen. Diese dienen dazu, die Menge des direkten Schalls proportional zu erhöhen.



Da die Anwesenheit von Schallwellen auch die Möbelstücke im Raum anregt, insbesondere wenn der Boden aus Holz besteht, wählte ich HiFi-Racks, die Vibrationen absorbieren können, ohne diese an die Geräte weiterzugeben. In diesen Racks wird jede HiFi-Einheit separat auf einem Regalboden positioniert, der für sich auf Spikes steht. Die hohlen Stahlbeine des Racks werden mit stabilisierendem Quarzsand gefüllt, um akustische Schwingungen innerhalb der Struktur zu absorbieren. HiFi-Geräte mit großen Transformatoren werden durch ein separates Rack von den empfindlichen Antriebseinheiten getrennt, um eine korrekte Wiedergabe des Quellmaterials ohne externe Einflüsse zu gewährleisten. Die Racks stehen auf Stahlspikes, die über 4 mm dicke Filzpads vom Boden entkoppelt sind. Filz ist eine chaotische Struktur und verhindert, dass vom Fußboden kommende Erschütterungen die Antriebseinheiten beeinträchtigen.



Die Summe meiner Maßnahmen führt in unserem Hörraum zu sehr brauchbaren Ergebnissen. Die Höhen und Mitten klingen präzise, lebendig und natürlich, ohne dass eine Frequenz überbetont wird. Stimmen klingen voll und unglaublich echt und erzeugen eine Gänsehaut. Instrumente werden von den Lautsprechern separiert und in ihren korrekten Dimensionen und Klangfarben wiedergegeben. Die Musik ist von einer überlegenen Ordnung. Bässe klingen überwiegend neutral bis trocken, mit vielen Schattierungen und Nuancen, es sei denn, sie treffen die exakte Resonanzfrequenz des Fußbodens. Zum Zeitpunkt des Schreibens ist dies das einzige verbleibende Manko, das ich in meinem Hörraum feststellen kann. Wie so oft im Leben ist dies ein Zugeständnis an unser Budget für die Hausrenovierung. Es könnte sich lohnen, in Zukunft mit Bassfallen und Deckensegeln zu experimentieren, um zu prüfen, ob sich diese positiv auf die verbleibende Resonanz auswirken.

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