Veröffentlicht: 2.6.2023
Herstellungsdatum: 2002
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Loudspeakers
Kurz nach der Jahrtausendwende, vor etwa zwanzig Jahren, stieß der Audio-Techniker und Car-Hifi-shopbesitzer Winfried Echle beim Durchblättern einer der letzten Druckausgaben der deutschen Elektronikzeitschrift “Funkschau" auf die Besprechung eines dynamischen 16cm Tief-/Mitteltöners mit Kevlar-Membran. Das Chassis wurde in Thailand hergestellt und es war, wie sich herausstellte, von in Deutschland ansässigen Lieferanten nur schwer zu bekommen. Dieser Umstand veranlasste Herrn Echle, sich an die thailändische Botschaft in Frankfurt zu wenden, um Kontakt mit dem Hersteller in Thailand aufzunehmen. Als er schließlich eine Antwort erhielt, wurde ihm mitgeteilt, dass die Mindestbestellmenge bei 100 Stück lag. Winfried holte tief Luft und bestätigte den Kauf. "Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt, doch ich hätte stattdessen einfach 200 Stück bestellen sollen", erzählt er schmunzelnd. “Aber wie hätte ich ahnen können, wie erfolgreich diese kleinen Lautsprecher werden würden."
Sein erster ernstzunehmender Regallautsprecher war ein Zwei-Wege-Design mit einer Bassreflex-Öffnung an der Vorderwand, die in einer der beiden Ecken direkt neben dem Hochtöner platziert war. Die passive Frequenzweiche trennte den Hochtöner bei 1.500 Hz mit einer Flankensteilheit von 6 dB pro Oktave ab. Die ersten Modelle des Lautsprechers waren noch mit einem 2,5cm-Weichkalotten-Hochtöner von Peerless ausgestattet, den Winfried bei den späteren Modellen jedoch durch einen Vifa XT-300/K4-Ringstrahler ersetzte. Der Ringradiator spielte nicht so laut wie der Kalottenhochtöner, aber er brachte eine neue Samtigkeit in den Klang und bot einen angenehmeren Abfall der Höhen. Die Bauteile der Frequenzweiche, die interne Verdrahtung und die Terminals waren von hoher Qualität. Die Bassreflex-Öffnung wurde fein abgestimmt, um so linear wie möglich zu wirken, wobei eine straffe Kontrolle dem üblichen 60-Hz-Buckel vorgezogen wurde. Winfried verbrachte einige Zeit damit, zu hören, zu messen und die Weichenbauteile und die Bassöffnung anzupassen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.
Als Winfried seinen neuen Prototyp Freunden und Besuchern in seinem Geschäft vorstellte, von denen einige selbst Fachleute waren, erhielt er hervorragendes Feedback zu seinem Design und verkaufte schließlich über hundert dieser Regallautsprecher. In der Tat setzte er in der gleichen Preiskategorie mehr Lautsprecher um, als der örtliche HiFi-Laden zur gleichen Zeit. Für den Besitzer des HiFi-Ladens war das keine große Überraschung, denn Winfrieds vorzügliches Preis-Leistungs-Verhältnis beeindruckte sogar seine Freunde vom Hessischen Rundfunk, die gleich zwei Paar Lautsprecher für den Einbau in ihre Übertragungswagen erwarben. Doch war das ein einzigartiger Glückstreffer oder ein reproduzierbarer Beweis für sein Können? Als ich die Geschichte hörte, wurde ich zumindest neugierig, und ich musste es einfach selbst herausfinden.
Seitdem ich zum ersten Mal von seinen Monitorlautsprechern gehört hatte, war ich versucht, sie für einen Probelauf mit nach Hause zu nehmen. Doch erst als unser Umzug von Frankfurt am Main nach Marne in Schleswig-Holstein bevorstand und sich unsere wöchentlichen Treffen in Aschaffenburg langsam dem Ende zuneigten, ließ er mich wissen, dass er sich tatsächlich geehrt fühlen würde, wenn ich noch die Zeit fände, eine Rezension zu schreiben. Da musste ich natürlich nicht lange überlegen und brachte eine große Eurobox zum Transport mit, in die das Paar perfekt hineinpasste. Auf der Heimfahrt überlegte ich, mit welchem Verstärker ich sie testen würde. Ich entschied mich für unsere Dynavox VR-70 Röhrenendstufe, sofern sich diese nicht aufgrund einer unvorhergesehenen Fehlanpassung der Kapazität oder des Innenwiderstands als problematisch herausstellte.
Ich hörte mir unsere EPI 500-Standlautsprecher nochmals gut an und stellte dann die Echle-Lautsprecher an deren Stelle auf. Unsere selbstgebauten Ständer, die ich verwendete, waren ursprünglich für unsere KEF-Lautsprecher der iQ-Serie gebaut worden und bestanden aus stabilen PDF-Platten, die auf Spikes mit Untersetzern standen, die wiederum auf Filzkissen zur Entkopplung zum Boden hin platziert wurden. Die fertigen Ständer wogen etwa so viel wie die Lautsprecher selbst und gaben ihnen einen festen Stand, ohne ihnen die Fähigkeit zu nehmen, sich von grässlichen Resonanzen in Richtung Boden abzukoppeln. Da der Vifa-Hochtöner außermittig montiert war, rätselte ich eine Weile, ob ich die Hochtöner innen (zum Hörplatz hin) oder lieber außen (vom Hörplatz weg) mit der Bassreflex-Öffnung auf der Innenseite anbringen sollte. Ich entschied mich, das Set zuerst mit den Hochtönern auf der Innenseite zu hören.
Das daraus resultierende musikalische Bild war akkurat, klang aber etwas dünn. Die Phantommitte war superscharf, und Stimmen wirkten leicht verdickt und kehlig mit einem verführerischen Touch. Es gab jede Menge Bass-Struktur, auch wenn der Tiefbassbereich nicht so großartig war. Die Lautsprecher spielten brav mit einem ausreichend aufschlussreichen Top-End. Der Mitteltonbereich war detailreich und dennoch homogen. Klaviertasten klangen warm genug, doch es fehlte ihnen etwas an Biss in den Höhen und an Anschlagdynamik in den Tiefen. Gelegentlich bemerkte ich einen leichten Zeitversatz und konnte mehr als die üblichen Zischlaute in der Musik wahrnehmen. Bei der Betrachtung meiner Aufstellung, bei der die vertikale Abstrahlachse der Lautsprecher etwa 50 cm hinter meinem Kopf zusammenlief, konnte ich feststellen, dass ich die Hochtonspulen relativ näher an meine Ohren gebracht hatte als die der Tieftöner.
Da die Tieftonspulen in der Regel tiefer in den Lautsprechern saßen als die Hochtonspulen, würde ein Vertauschen der linken und rechten Lautsprecher, um die Hochtonspulen nach außen zu positionieren, helfen, dieses Problem zu beheben, indem der Abstand zwischen dem Hochtöner und den Ohren vergrößert wurde. Das Ergebnis war ein besseres Timing und weniger Zischlaute sowie eine eindrucksvollere Bühnenbreite. Im Mitteltonbereich lag die klare Stärke der Lautsprecher mit präziser Tonalität. Die anfängliche Leichtigkeit des Klangs war verschwunden. Das Resultat war stimmliche Glaubwürdigkeit und eine unaufgeregte Wiedergabe des musikalischen Geschehens. Der Begriff ‘Understatement’ drängte sich auf, ein Eindruck, der durch die großzügige Verwendung von Bautiefe anstelle von Höhe oder Breite noch verstärkt wurde.
Von Nick Caves Live-Album 'Idiot Prayer' wechselte ich zu Boris Blanks Studioalbum 'Convergence'. Ich drehte die Lautstärke von Caves natürlich klingender Stimme auf moderate Discolautstärke hoch. Boris Blank war seit langem ein Favorit unter eher technisch versierten Menschen, und auf dieser Grundlage konnten die Lautsprecher ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, die einzelnen Samples auseinanderzuhalten. Und tatsächlich war ich beeindruckt von der klaren Positionierung der Bass-Samples von links nach rechts und von oben nach unten sowie von dem Fehlen jeglicher Aggressivität des Hochtöners, die ich ansonsten von kleinen Lautsprechern bei lauter Musik erwartet hätte. Allerdings fiel mir auf, dass die enorme Auslenkung des Tieftöners von +/- 8 mm zu einer bisweilen unruhigen Luftigkeit in den Höhen führte. Ich konnte mir vorstellen, dass der Dopplereffekt so ausgeprägt gewesen wäre, wenn die Bassöffnung nicht auch zwischen dem Hochtöner und dem Hörplatz positioniert gewesen wäre.
Dennoch genoss ich es, diese Lautsprecher laut zu hören, auch, weil ihre Höhen ein wenig nachsichtiger waren als bei unseren sonstigen Modellen. Michael Patrick Kellys Live-Album "ID" kam mir als nächstes in den Sinn, und die Lautsprecher enttäuschten auch hier nicht, was Geschwindigkeit, Agilität und in gewissem Maße sogar Dynamik anging. Die Kick-Drum klang straff und fest. Diese Lautsprecher eigneten sich gleichermaßen für Rockmusik und Jazz, und diese Kombination war nicht allzu häufig. Für Rockmusik war es wichtig, dass das musikalische Geschehen zusammenhielt und nicht regelrecht seziert wurde, und das war hier ganz klar geboten.
Um meine Erkundung abzurunden, legte ich noch ein Album von Norah Jones auf. "Feels like home" wurde mit samtigem Gesang und bernsteinfarbenen Keyboardtönen präsentiert. Das Album klang sowohl aufregend und weiträumig als auch raffiniert und wohlproportioniert. Die weichen Höhen, die beim lauteren Abspielen der Lautsprecher so gut funktioniert hatten, führten hier zu einem leichten Mangel an Knackigkeit bei den Klaviertönen. Am Ende schien es mir, als könnten wir nicht alles haben, zumindest nicht in den gerade noch erschwinglichen Preisklassen. Ich frage mich, wie viele von uns tatsächlich aufstehen würden, um den Klang einer echten Live-Veranstaltung zu optimieren, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten. Als Wohnraumlautsprecher und auch für ernsthaftes Hören waren Winfrieds Lautsprecher sicherlich fähige und angenehme Werkzeuge. Für die Musikproduktion und beim anspruchsvollen Hören hingegen konnte die etwas entspannte Höhenwiedergabe dazu führen, dass etwaige Probleme in diesem Bereich eventuell weniger dramatisch erschienen, als sie auf anderen Geräten geklungen hätten. Für das Abhören von Vocals waren diese Lautsprecher wirklich hervorragend.