Veröffentlicht: 30.11.2021
Herstellungsdatum: 1993
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Headphones
In einem vorangegangenen Artikel über den Beyerdynamic DT 990 PRO hatte ich berichtet, dass mein Grund für den Kauf eines neuen Kopfhörers darin bestanden hatte, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, wem ich meinen alten Sennheiser geliehen hatte. Einige Wochen später fand ich ihn im Haus meiner Eltern, neben einem unbenutzten Zoom Field-Recorder. Es stellte sich heraus, dass der Sennheiser viel älter war, als von mir angenommen. Ein verblichener und zerknitterter Kassenzettel zeigte, dass ich diesen Kopfhörer im Jahr 1996 bei Galeria Kaufhof in Frankfurt erworben hatte. Umso mehr war ich überrascht, dass er auch nach 25 Jahren noch in so gutem Zustand war. Und noch etwas überraschte mich: Noch bevor ich ihn erneut hörte, hatte ich eine Erinnerung an ihren Klang.
Bevor ich damals meinen Sennheiser HD 580 erwarb, war ich es gewohnt meine Musik mit einem geschlossenen Panasonic-Studiomonitor zu hören, den mein Vater in den 1980er Jahren in New York für den stolzen Preis von 250,00 USD erworben hatte. Ich erinnerte mich, dass dieser einen beeindruckenden Bass hatte und einem buchstäblich die Ohrpolster vom Kopf heben konnten. Aber auch sonst hatte er einen anständigen Klang. Ich trug den Panasonic so lange mit mir herum, bis sich seine Polster in ihre Bestandteile auflösten und schwarze und schuppige Rückstände für den Rest des Tages in meinen Haaren zurückblieben. Damals wollte ich ihn nur ungern aufgeben. Und der Umstieg auf den offenen Sennheiser HD 580 schien mir klanglich eher ein Rückschritt zu sein. Alles, was ich an dem Panasonic-Kopfhörer geliebt hatte, war verschwunden. Stattdessen gab es diese karge neue Klarheit, eine Qualität, mit der ich mich damals nur schwer anfreunden konnte.
Vielleicht lag das zum Teil daran, dass die relativ hohe Impedanz von 300 Ohm den Betrieb mit den Hifi-Geräten, die ich in den 90er Jahren besaß, erschwerte. Es schien mir, dass diese Kopfhörer für den professionellen Markt bestimmt waren, wo eine hohe Impedanz weniger ein Problem darstellte. Und da der Pioneer-Kopfhörer geschlossen gebaut war, schienen mir die halboffenen Sennheiser weit weniger imposant im Bass zu sein. Dadurch vermisste ich die gewohnte Fülle in den unteren Frequenzen. Doch als ich sie nach so vielen Jahren wieder entstaubte und anhörte, war auch mein Klang- und Musikgeschmack gereift, und die Sennheiser hinterließen einen viel ausgewogeneren Eindruck als früher. Ich konnte die Vorteile eines solchen offenen Designs erkennen. Es kam ganz auf die Anwendung an.
An professionellen Aufnahmegeräten, wie z.B. unserem Zoom H4n, konnte der HD 580 Stimmen und Bühnendimensionen ganz wunderbar abbilden. Das fiel mir zum ersten Mal auf, als ich eine Aufnahme meines Vaters beim Spielen seiner Gitarre abspielte. Sowohl die Gitarre als auch mein Vater klangen so realistisch, dass ich vom Monitor aufblicken musste, um zu prüfen, ob er wieder angefangen hatte von vorn zu spielen. Zu meinem Erstaunen saß er mit den Händen an der Seite und wartete geduldig darauf, dass ich meinen Hörtest beendete. Ein ähnlicher Effekt trat ein, als ich meine Aufnahme von Luigis Snell C-IV-Lautsprechern anhörte, die den ersten Song von Jörg Hegemanns “Foot Tappin’ Boogie”-Album spielten. Ich hatte zwei Großmembran-Studiomikrofone aufgestellt, drückte auf den Aufnahmeknopf und lief dann quer durch den Raum, um den CD-Player einzuschalten. Als ich mir diese Sequenz ein paar Tage später während der Videoproduktion wieder anhörte, schaute ich immer wieder auf und war überzeugt, dass sich mir jemand von hinten näherte. Der Eindruck war fabelhaft real.
Bei Stimmen verdiente der Sennheiser HD 580 das Prädikat "Präzision". Tonale Genauigkeit wäre eine noch bessere Bezeichnung gewesen. Und diese Charaktereigenschaft hing auch nicht so sehr von den Geräten ab, die ihn antrieben. Andererseits war er in Bezug auf die Basswiedergabe nicht gerade stark. Für optimale Bässe brauchte er einen starken Kopfhörerverstärker. An unserem T-3 Plus mit GE-Röhren zeigten der HD 580 zwar druckvollen Mittenbass, aber tiefe Bassfrequenzen waren noch immer so unterrepräsentiert, dass dies etwas gewöhnungsbedürftig war. Am oberen Ende des Spektrums neigte der Sennheiser dazu, sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren. Leider bedeutete dies auch, dass einige der Nuancen und subtilen Transienten der Musik verloren gingen. Das machte ihn zu einem ausgezeichneten Begleiter für kleinere Aufnahmestudios, z.B. um die tonale Balance von Stimmen und Gitarren zu überwachen, aber auch ziemlich unbrauchbar für echtes audiophiles Hören, was angesichts seines relativ niedrigen Neupreises vielleicht nicht verwunderlich war.
Wie ich bei meinen Recherchen zu den technischen Daten feststellte, gab es eine echte HD 580-Fangemeinde. Und zu meiner Freude konnte ich online sogar ein neues Ersatz-Kopfpolster für meinen Sennheiser finden (noch nicht auf den Fotos zu sehen). Er war es sicher wert, behalten zu bleiben, und sei es nur, um zukünftige Studio-Sitzungen mit unserem Zoom-Recorder zu begleiten. In diesem Szenario konnte ich mir nichts Nützlicheres vorstellen.
Fritz Sennheiser gründete 1945 im Nachkriegsdeutschland einen Betrieb in einem Bauernhaus bei Hannover. Sein junges Start-up Laboratorium Wennebostel, kurz "Labor W" genannt, wurde bald zu einem Lieferanten von Messgeräten für Siemens. Im Jahr 1958 änderte das Unternehmen seinen Namen in Sennheiser electronic. Das Mikrofon MD 1 von Sennheiser lehnte sich zwar noch stark an bestehende Mikrofondesigns an, doch das Mikrofon MD 2 war schon eine Eigenentwicklung. Bald folgten weitere Mikrofone, und im Jahr 1957 kam das erste drahtlose Mikrofonsystem von Sennheiser auf den Markt. Im Jahr 1960 stellte das Unternehmen sein berühmtes Mikrofon MD 421 vor, das auch heute noch im Handel erhältlich ist.
Das Unternehmen produzierte eine Reihe erfolgreicher Geräte und gründete Tochtergesellschaften in über 20 Ländern. Zu Sennheisers bekanntesten Kopfhörern gehören der ‘HD 25’ (1988), der elektrostatische Kopfhörer ‘Orpheus’ (1991), der High-End-Kopfhörer ‘HD 800’ (2009) und der elektrostatische Orpheus-Nachfolger ‘HE 1’ (2015). Sowohl der Orpheus als auch der HD 800 galten zu jederzeit als Spitzenprodukte ihrer Klasse. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels wird das Unternehmen in der 3. Generation von der Familie Sennheiser geführt.