Veröffentlicht: 2.12.2022
Autor: Karsten Hein
Kategorie: High Fidelity
Meine ersten Erinnerungen an Werbeanzeigen für HiFi-Geräte stammen aus Versandhauskatalogen in den frühen 1980er Jahren. Auf jeder Seite waren eine Handvoll Geräte abgebildet und mit kleinen Nummern versehen, welche die Fotos mit notdürftigen Beschreibungskästen verbanden, in denen eine kurze Liste von technischen Daten zu finden war. Da das Konzept des Versandhandels mit sich brachte, dass Kaufentscheidungen aus der Ferne getroffen werden mussten, ohne die Möglichkeit des sensorischen Feedbacks, erinnere ich mich, dass ich mein eigenes Interesse anhand von zwei Kriterien abwog: 1. der Ästhetik des Designs und 2. der Wattleistung der Verstärker. Was das Design anbelangte, tendierte ich zu glänzenden Knöpfen, hellen Lichtern und großen Analoganzeigen. Wenn es um die Wattleistung ging, glaubte ich der einfachen Regel "je mehr Leistung, desto besser". Glücklicherweise verfügte ich nicht über die Mittel, um selbst etwas zu kaufen, und meine Eltern lehnten den Kauf von Produkten aus Versandhauskatalogen strikt ab.
In späteren Jahren stieß ich dann bei Freunden manchmal auf solche HiFi-Anlagen und wunderte mich über Lautsprechergehäuse aus groben spanplatten mit klein aussehenden Treibern, die oft von aufgemalten oder aufgeklebten Silberringen umfasst waren, um sie eindrucksvoller aussehen zu lassen. Die Verstärker, die angeblich 1.000 Watt Ausgangsleistung boten, wogen die Hälfte meines 40-Watt-Receivers und klangen eher zahm und schwachbrüstig. Ein Blick ins Innere zeigte, dass sich hinter den großen Leistungsanzeigen kaum eine elektronische Grundlage für die kühnen Behauptungen verbarg. Aber wie war es dann möglich, dass sich die tollen technischen Spezifikationen nicht auch in einer überragenden Klangqualität und Ausgangsleistung niederschlugen? Damals hatte ich keine gute Erklärung für dieses Phänomen und machte mir lediglich eine gedankliche Notiz, dass ich beim Kauf von Geräten besser aufpassen sollte, um einen echten Gegenwert für mein Geld zu erhalten und nicht auf minderwertige Qualität hereinzufallen.
Viele Jahre sind nun seit meinen ersten Erkundungen vergangen, und ich habe inzwischen gelernt, dass die Fähigkeit einer HiFi-Anlage, Musik sauber und laut wiederzugeben, von vier grundlegenden Faktoren abhängt: 1. der Dauerleistung (nicht der Spitzenleistung) des Verstärkers an einer bestimmten Ohm-Last (angegeben in Watt, RMS); 2. der maximalen Belastbarkeit der Lautsprecher an dieser Ohm-Last; 3. dem Wirkungsgrad der Lautsprecher (dB, bei 1W/1m) und 4. dem bevorzugten Hörabstand zu den Lautsprechern. Der Abstand ist wichtig, weil sich die Hörlautstärke halbiert, wenn sich der Abstand des Hörers zu den Lautsprechern verdoppelt. Die Dezibelangabe (dB) wird bei einer Eingangsleistung von einem Watt und einem Meter Abstand von den Lautsprechern gemessen. Dezibel ist eine logarithmische Skala zur Messung der Lautstärke, die im 19. Jahrhundert von der amerikanischen Telefongesellschaft Bell eingeführt wurde, um den Signalverlust auf langen Telefonleitungen zu messen.
Null Dezibel wurde als nahezu Stille für erwachsene Zuhörer definiert, und zehn Dezibel als das Zehnfache dieses Wertes. Da die Skala logarithmisch war, wurden zwanzig Dezibel als zehnmal lauter als 10 Dezibel definiert, was den 100-fachen Schalldruckpegel ergab, und so weiter. Nach dieser Skala ist ein Ballon, der mit 150 dB explodiert, eine Billiarde Mal lauter und eine normale Unterhaltung ist eine Million Mal lauter als ein Lautstärkepegel nahe der Stille. Die Tabelle "Schalldruck - Schallereignis - Dezibel" gibt einen Überblick über alltägliche Geräusche, ihre Dezibelwerte und die entsprechenden Schalldruckpegel auf einer linearen Skala von nahezu Stille bis zu den ohrenbetäubendsten Geräuschen. Ein Hörverlust durch hohe Lautstärken ist in der Regel das Ergebnis einer Kombination aus sehr lauten Geräuschen über einen längeren Zeitraum hinweg. Während ein platzender Luftballon uns überraschen oder sogar erschrecken mag, besteht für unsere Ohren nur ein geringes Risiko.
Die Dezibel-Skala hat sich bei der Messung von Schalldruckpegeln als nützlich erwiesen und kommt der menschlichen Wahrnehmung von Lautstärke deutlich näher als die lineare Schalldruckskala. Allerdings entspricht sie nicht genau dem menschlichen Ohr. Der Mensch nimmt eine Verdoppelung der Hörlautstärke bei jeder Erhöhung um sechs Dezibel wahr. Die Tabelle "Schalldruck - Schallereignis - Dezibel - menschliche Wahrnehmung" soll daher diesen Unterschied verdeutlichen. Für das menschliche Ohr ist ein platzender Luftballon etwa fünfundzwanzigmal lauter als Stille, nicht eine Billiarde mal, wie die lineare Skala vermuten ließe.
Die Tabelle "Verstärkerleistung - Lautsprecher-Dezibel-Leistung" stellt die Eigenschaften von zwei aktuell erhältlichen Lautsprechern gegenüber: die britischen Tannoy XT8f Dual-Concentric Standlautsprecher und die in Deutschland gefertigten Duevel Planets. Die Tabelle zeigt, dass die zehnfache Verstärkerleistung erforderlich ist, damit die Lautsprecher um 10 dB lauter spielen, unabhängig vom gewählten Lautsprecher. Bei der Berechnung der erforderlichen Verstärkerleistung habe ich einen Headroom von 3 dB berücksichtigt, was ich für Anwendungen in Innenräumen für realistisch halte. Die Tannoys starteten mit einem lobenswerten Wirkungsgrad von 91 dB 1W/1m. Bei einer Hörentfernung von zwei Metern erzeugt das erste Watt Leistung bereits 79 dB. Dieser Lautstärkepegel ist vergleichbar mit einem lauten Restaurantambiente und sollte für die meisten Anwendungen ausreichen. Bei voller 100-Watt-Belastung erzeugen die Tannoys einen Schalldruck von 99 dB in zwei Metern Entfernung (was so ca. einem laufenden Motorrad im Raum entspricht) bzw. 89 dB (ähnlich einer brüllenden Person) in 10 Metern Entfernung. Das sollte ausreichen, um gelegentlich eine Party zu feiern.
Die Duevel Planets sind mit 85 dB (1W/1m) bewertet und erreichen 73 Dezibel bei einem Abstand von zwei Metern. Die komfortablen 79 dB der Tannoy erreichen sie erst bei vier Watt, und da muss der Verstärker schon ganz schön was leisten. Bei ihrer maximalen Leistungsangabe von 50 Watt erzeugen die Duevels in zwei Metern Entfernung 90 dB (schreiende Person) und in zehn Metern noch 80 dB (lautes Restaurant). Damit sind sie für die Beschallung von Wohnzimmerpartys weniger geeignet als die Tannoys. Die neun Dezibel Unterschied, die sich daraus zwischen den Lautsprechern ergeben, lassen uns die Tannoys 1,5 Mal lauter erscheinen als die Duevels.
Wie wir an diesen Ergebnissen sehen können, ist die menschliche Wahrnehmung von Schalldruck nicht linear. Da sich die wahrgenommene Lautstärke alle 6 dB verdoppelt, ähnelt sie eher der logarithmischen Dezibelskala. Verstärkerleistungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch als Dauerleistung und nicht als Burst- oder Spitzenleistung angegeben werden. In der Tat kann die Spitzenleistung zehnmal höher sein als die Dauerleistung, wenn die Kondensatoren groß genug sind. Die Ausgangsleistung eines Verstärkers hängt von der Ohmzahl der angeschlossenen Lautsprecher ab. Ein Verstärker, der für 8 Ohm ausgelegt ist, erzeugt eine viel höhere Leistung an einer 4-Ohm-Last. Eine ausreichende Verstärkerleistung, gepaart mit hoher Empfindlichkeit und hoher Belastbarkeit der Lautsprecher, führt zu hohen Schalldruckpegeln, sofern dies gewünscht wird.