Veröffentlicht: 15.10.2022
Herstellungsdatum: 1978
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Loudspeakers
Als mich mein audiophiler Leidensgenosse Luigi anrief, um mir mitzuteilen, dass er in Berlin auf ein Paar Epicure 3.0-Lautsprecher gestoßen war, war ich zunächst etwas verwundert, warum er mir das erzählte. Die deutsche Hauptstadt lag fünf Autostunden von meinem Standort in Frankfurt entfernt, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich zwei 30 kg schwere Standlautsprecher über eine Entfernung von 550 km anders transportieren konnte als mit dem eigenen Auto nach Berlin zu fahren. Dennoch bedankte ich mich bei Luigi dafür, dass er mich stets über neue Gelegenheiten auf dem Laufenden hielt, und bestätigte, dass ich diese Lautsprecher eines Tages für einen Test in Betracht ziehen würde. In den darauffolgenden Tagen recherchierte ich einige Informationen über das Modell 3.0 und so wuchs auch meine Neugierde, sie zu hören. Außerdem erinnerte ich mich daran, dass wir gute Freunde in Berlin hatten, die vielleicht spontan genug wären, sie für uns abzuholen, bis wir eine Möglichkeit fänden, die Lautsprecher nach Frankfurt zu transportieren.
Spontan setzte ich mich mit dem Verkäufer in Berlin in Verbindung und erwarb die Lautsprecher. Noch am selben Abend schrieb ich eine Nachricht an unseren Freund Enrico in Berlin und erzählte ihm von meinem Kauf und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Glücklicherweise erklärte sich Enrico bereit, mich und das eiaudio-Projekt zu unterstützen, indem er die Lautsprecher abholte. Ich war erleichtert, als ich das hörte, denn ich wusste, dass die Epicure bei ihm in guten Händen waren. Wie sich herausstellte, musste Enrico von Berlin Bernau im Norden quer durch die Stadt nach Steglitz fahren, um sie dort abzuholen. Zu unserer beider Überraschung wurden die Epicure aus erster Hand angeboten, zusammen mit allen Unterlagen über den Kauf. Der Besitzer selbst teilte Enrico mit, dass er diese Lautsprecher zu einer Zeit gekauft hatte, als er noch Student war, lange bevor er seinen Beruf und später sein eigenes Unternehmen gründete. Er habe sie einfach 40 Jahre lang mit Freude angehört. Na, das war in der Tat ein gutes Zeichen.
Nachdem die Epicure 3.0 sicher bei Enrico angekommen waren, brauchte ich noch etwa einen Monat, bis ich einen professionellen Spediteur fand, der die Lautsprecher bei ihm abholte und sie als Beiladung klassifiziert, d.h. als zusätzliche Fracht im Rahmen einer größeren Lieferung, zu uns nach Hause lieferte. Ich hatte gelesen, dass die Berliner Spedition 'KLTransporte' regelmäßige Transporte zwischen Berlin und Frankfurt organisierte, die in den meisten Wochen des Jahres solche Beiladungen ermöglichten. Um einen sicheren Transport zu gewährleisten, wickelte Enrico jeden Lautsprecher in mehrere Lagen Luftpolsterfolie ein und kennzeichnete die Stellen, an denen die Lautsprecher ohne Gefahr angefasst und getragen werden konnten. Dank seiner aufmerksamen Vorbereitung war das Umzugsunternehmen in der Lage, alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und die Epicure 3.0 in einem Stück an uns auszuliefern. Ich war allen Beteiligten sehr dankbar dafür, dass sie diese neue Entdeckungsreise möglich machten.
Auf den Bildern, die ich im Internet gefunden hatte, aber auch auf den Fotos, die Enrico mir geschickt hatte, sah es meist so aus, als ob eine Seite des Epicure Pyramidenstumpfs irgendwie aus dem Gleichgewicht geraten war. Ich bin mir gar nicht sicher, was diesen ersten Eindruck verursacht haben könnte, aber das Auspacken bei uns zu Hause bestätigte mir, dass sie in der Tat perfekt symmetrisch waren. Und obwohl ich einen Zollstock benutzt hatte, um die ungefähre Größe und Position der Lautsprecher in unserem Raum abzuschätzen, war ich dennoch überrascht, wie monumental und vollendet sie in Wirklichkeit wirkten. Die abgerundeten Kanten, die unkonventionelle Pyramidenform, aber auch die hochwertige und gewachste Oberfläche aus amerikanischem Walnussholz an allen Seiten ließen erahnen, dass diese Lautsprecher nicht leichtfertig konstruiert wurden.
Ähnlich unseren EPI 500 wurden die 3.0 durch einen Holzsockel vom Boden entkoppelt. Aber anders als bei der EPI 500 wurde der Sockel selbst mit Hilfe von vier Kanthölzern vom Fußboden entkoppelt, wobei in jeder Ecke ein Kantholz verbaut war. Bei meinen Versuchen, die EPI 500 zum Klingen zu bringen, hatte ich dieselbe Methode zur Erhöhung des Sockels mit großem Erfolg angewandt und war froh, diese hier bestätigt zu sehen. Da die Lautsprecher dieser Ära meist für die Aufstellung auf amerikanischen Wohnzimmerteppichen konzipiert waren, erreichte ich den natürlichsten Klang, indem ich sie auf 5mm hohe 40mm breite Filzunterlagen stellte, manchmal in Kombination mit 8 mm dicken Stahlrondellen. Der Sockel selbst diente dazu, die Unterseite des Gehäuses vom Boden abzuheben und ermöglichte es auch, die Anschlussklemmen unter den Lautsprechern zu verbergen, was dazu beitrug, dass die Epicures von allen Seiten gleichsam elegant aussahen.
Für diejenigen unter uns, die sehr viel mit Lautsprechern experimentierten, konnte die versteckte Position der Klemmen zum Ärgernis werden, und ich war außerdem überrascht, dass die vermeintlich originalen G.R.-Stecker wahrscheinlich von der Firma selbst zu bequemeren Drahtklemmen umgerüstet worden waren, die jedoch leider zu klein ausgeführt waren, um die hohlen Beryllium-Gold-Bananenstecker meiner fertig konfektionierten Belden-Lautsprecherkabel aufzunehmen. Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung schnappte ich mir ein altes Stück Belden 9497-Kabel und schnitt die Bananenstecker kurzer Hand an einem Ende ab. Dann steckte ich die von Natur aus verzinnten Belden-Kupferdrähte direkt in die Klemmen. Auf diese Weise wurden die Lautsprecher mit unserer Hafler XL280-Endstufe verbunden, und wie üblich war der anfängliche Klang, der aus den Lautsprechern kam, ziemlich mickrig. Da die Kabel und die Lautsprecher vor meinem Kauf viele Monate lang inaktiv waren und das eine Ende der Kabel frisch geklemmt worden war, bestand offensichtlich Bedarf an einer Homogenisierung der Materialien und vielleicht auch der träge gewordenen Ferrofluide.
Ein weiterer Aspekt, der zu dem noch mäßigen Klangeindruck führte, war die Positionierung der Lautsprecher im Hörraum. Zunächst hatte ich sie einfach an den Markierungen platziert, die bei unseren elektrostatischen Martin Logan-Lautsprechern gut funktioniert hatten. Dies war offenbar nicht die perfekte Position für die Epicure 3.0. In dieser Position standen die Lautsprecher zu weit auseinander, weit von der vorderen Wand des Raumes entfernt und waren zum Hörplatz hin ausgerichtet. Bei den Epicure führte diese Aufstellung zu einer Überbetonung der Höhen und des Tiefbasses bei völligem Fehlen von Bassdruck. Es wurde mir klar, dass der Raum ungünstig mit den Lautsprechern interagierte. Ich erinnerte mich an eine Excel-Tabelle, die ich von einem audiophilen Kollegen namens Peter Englisch erhalten hatte. Diese Tabelle ermöglichte es, durch Eingabe der Raummaße die Vorzugspositionen für Lautsprecher zu berechnen. Die Aufstellung der Epicures schien mir eine gute Gelegenheit zu sein, mit diesem neuen Werkzeug zu arbeiten. Ausgehend von den spezifischen Werten unseres Hörraums erhielt ich folgende Werte:
Abstand der Lautsprecher zur Wand in Zentimetern:
- Vordere Wand: 70 / 112 / 252
- Seitenwand: 59 / 94 / 212
- Boden zum Lautsprecher: 35 / 56 / 126
Der Abstand zur vorderen Wand wurde von der vorderen Raumewand bis zur Tieftöner-Ebene (in der Nähe der Schwingspule) gemessen; die Seitenwand-Abstände wurden von der linken und rechten Seitenwand zur Mittelachse der Tieftöner gemessen und der Boden-zu-Woofer-Abstand wurde vom Fußboden des Raumes bis zur Mittelachse des Tieftöners gemessen. Als ich mit Peter Englisch darüber sprach, wie man am besten mit den Werten arbeitete, wurde ich daran erinnert, dass der Abstand zur Vorderwand zwischen dem linken und dem rechten Kanal identisch sein sollte, die Abstände zu den Seitenwänden jedoch nicht. Die Notwendigkeit unterschiedlicher Abstände zwischen den Lautsprechen und Seitenwänden ergab sich daraus, dass sich der Hörplatz normalerweise in der Mitte zwischen den Lautsprechern befand. Würden die Lautsprecher ebenfalls symmetrisch in den Wänden des Raums positioniert, käme es zu einer Auslöschung der Frequenzen an der Hörposition.
Am Ende hatte ich einen Abstand von 70cm zur Vorderwand (10-30cm weniger als bei der üblichen Aufstellung unserer Lautsprecher) und einen Abstand des rechten Kanals zur Wand von 94 cm. Der Abstand zwischen Boden und Tieftöner lag bei den Epicure 3.0 auf natürliche Weise bei etwa 56 Zentimetern. Beim linken Kanal konnte ich den vorgeschriebenen Wert nicht einhalten, weil mir eine Tür im Weg war. Ich fügte runde, 5 mm hohe und 40 mm breite Filzpads unter den vier Kanthölzern hinzu, um die Lautsprecher von unserem Hartholzboden zu entkoppeln und so die Tonalität zu verbessern. Die Lautsprecher wurden parallel zur Vorderwand aufgestellt, um die Kanaltrennung und Bassagilität zu verbessern. Der freistehende Inverskalotten-Hochtöner der Epicure 3.0 bot einen linearen Frequenzgang über einen sehr breiten Abstrahlwinkel von 180° bei einer Abweichung von nur 3 dB. Dies führte dazu, dass die Lautsprecher überall im Raum und sogar außerhalb des Hörraums relativ ausgewogen klangen. Selbst wenn man direkt neben den Lautsprechern stand oder sich in der Küche eine Tasse Kaffee holte, blieb der Klang natürlich und ausgewogen, deutlich mehr als wir es sonst gewohnt waren.
Der ungewöhnlich breite Abstrahlwinkel der Epicure 3.0 und ihr ausgeglichener Frequenzgang über eine große Bandbreite wurden durch eine hervorragende Phasenlinearität ergänzt, die sich aus der zur Pyramidenspitze hin geneigten Frontplatte ergab. Frühere Modelle der Hersteller Cabasse, KEF, B&W usw. benutzten zusätzliche Gehäuseplatten unter den Tief- und Mitteltönern, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen, doch Epicures Ansatz der weichen Kanten und sanften Neigung vermochte es auch die akustischen Schwierigkeiten zu verringern, die entstanden wenn Schallwellen auf scharfe Kanten trafen. Die Pyramidenstruktur hatte zudem den Vorteil, dass die reflektierende Fläche um jeden Treiber proportional zur Größe des Treibers abnahm, wodurch unnatürliche Brechungen minimiert wurden. Der Hochtöner und der Mitteltöner befanden sich in separaten Gehäusen, und zwischen den Chassis gab es kaum Interferenzen, die die akustische Integrität gefährdet hätten. Dies führte zu geringen Verzerrungen, geringem Zeitrauschen, exzellentem Einschwingverhalten und vor allem zu einer natürlichen Tonalität.
Beim Modell 3.0 kam ein relativ großer, mit Ferrofluid gedämpfter 140mm-Mitteltöner zum Einsatz, der ab 75 Hz mechanisch mit 6 dB pro Oktave zum Tieftöner hin abfallen durfte. Sein Hochtonpotenzial wurde durch die Frequenzweiche bei 2.600 Hz und einer Flanke von 18 dB pro Oktave vom Hochtöner ferngehalten. Der Tieftöner wiederum wurde durch eine Absenkung von 12 dB pro Oktave vom Mitteltöner abgetrennt. Neben der aktiven Ferrofluid-Dämpfung der Hoch- und Mitteltöner eliminierte die 3.0 interne Resonanzen durch eine Kombination aus Verstrebungen und Anti-Resonanzmatten. Der daraus resultierende Effekt war ein linearer Frequenzgang von sehr niedrigen 32 Hz bis 10.000 Hz über einen breiten Winkel von 180°. Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass es heute schwierig sein dürfte, Lautsprecher zu finden, die eine ähnliche Leistung erbringen. Vom Sweet Spot aus wurde der Frequenzgang über das gesamte Spektrum des menschlichen Gehörs auf 32 bis 20.000 Hz mit einer Abweichung von 3 dB angegeben.
Durch ihr hohes Maß an Resonanzabsorption waren die Epicure 3.0 sehr leistungshungrig. Die Empfindlichkeit wurde mit niedrigen 83 dB ausgewiesen, was sie zu einem Begleiter für kräftige Verstärker machte. Mit einem Dynavox VR-70 Röhrenverstärker (40 WPC) und einem Hafler XL-280 Solid-State-Verstärker (145 WPC) habe ich gute Ergebnisse erzielt. Epicure empfahl Verstärker von 30 bis 500 Watt, und ich konnte bestätigen, dass diese Angabe realistisch war. Dank der Ferrofluid-Kühlung konnten die Lautsprecher auch hohe Dauerleistungen ohne unmittelbare Gefahr der Überhitzung überstehen. Ihre unkritische Impedanzkurve von 4 Ohm machte die Wahl des Verstärkers dabei relativ einfach. Mit den Schaumstoffabdeckungen, insbesondere für die Hochtöner, erwies sich das Hören bei leicht erhöhter Lautstärke als lohnender. Um noch mehr musikalische Details und Nuancen zu erfahren, mussten die Schaumstoffabdeckungen entfernt werden. Leider war dies bei meinen Exemplaren aufgrund des Alters schon eine Herausforderung geworden wenn man sie nicht dabei zerstören wollte. Um den breiten Abstrahlwinkel des Hochtöners zu kompensieren, konnte seine Leistung in -3dB Schritten abgeschwächt werden. Das konnte praktisch sein, z.B. wenn reflektierende Seitenwände das Ausgangssignal in unerwünschter Weise verstärkten.
In meinen umfangreichen Hörtests spielten die Epicure 3.0 alle Arten von Musikmaterial, Filmmusik und auch Filmeffekte mit derselben Leichtigkeit. Obwohl der spezifische Klangcharakter der Epicure 3.0 nicht sofort herausstach und für den unbedarften Hörer deshalb auch nur schwer zu erkennen sein mochte, hatten diese Lautsprecher durchaus das Potenzial, zu überraschen. Ihre lineare Spielweise ließ sie eher unauffällig klingen, bis die Tonspur selbst nach Aufmerksamkeit verlangte. Relativ schnell war ich verblüfft und eingenommen von der Basswiedergabe und dem Tiefgang der Epicure 3.0, zumal es für diese Eigenschaft keine Vorwarnung gab. Während man bei anderen Lautsprechern deren Fähigkeiten an der Klangsignatur erahnen konnte, waren die Epicure in der Lage, Bassattacken in den Raum zu stellen, ohne zuvor auch nur den leisesten Hinweis auf diese Fähigkeit zu liefern. Diese Bassmomente konnten, je nach Musikmaterial, entweder überraschend tief oder erstaunlich laut sein; Eigenschaften die ich eher von einem Subwoofer erwartet hätte. Andererseits hatte ich noch nie zuvor einen Subwoofer gehört, der so linear schlüssig mit in die Musik integriert war und dabei niemals fehl am Platz wirkte.
In unserem Setup zeigten die Epicure 3.0 eine durchweg gute Leistung in Bezug auf Spielfreude, klangliche Ausgewogenheit und natürliche Tonalität. Sie gehörten sicher nicht zu den am aufregendsten klingenden Lautsprechern, waren aber immer bereit, die Musik zu akzentuieren, wenn dies erforderlich war. Mir gefielen der natürliche Klang und der Kick von Schlaginstrumenten sowie die vielen tonalen Ebenen, mit denen die Musik präsentiert wurde. Im Bereich der tonalen Auffächerung war das Modell 3.0 der EPI 500-Serie ähnlich, wenn nicht sogar überlegen. Die Stereowiedergabe war nicht so breit und klar wie bei der EPI 500, solange man direkt im ‘Sweet Spot’ saß, aber sie war der EPI 500 in fast allen anderen Positionen im Raum deutlich überlegen und dadurch ein Zugeständnis an die Mithörenden. Bei meinen nächtlichen Hörsitzungen stellte ich fest, dass das Modell 3.0 den gesamten Raum in die akustische Gleichung mit einbezog, was zum Erhalt vieler musikalischer Nuancen von Vorteil war. Einige Hörer hatten den freistehenden Hochtönern der Epicure einen Ambient-Effekt nachgesagt, der mir jedoch in unserem Hörraum nicht so sehr auffiel oder mich gar störte. Wenn ich über die enorme Leistung der Epicure 3.0 nachdachte, fiel es mir schwer, mir vorzustellen, dass es sich dabei einst um durchaus erschwingliche Lautsprecher gehandelt hatte, die auch ein Universitätsstudent erwerben konnte. - Diese Zeiten sind wohl lange vorbei.