Veröffentlicht: 28.1.2023
Herstellungsdatum: 1991
Autor: Karsten Hein
Kategorie: Gear & Review
Tag(s): Headphones
Ich muss gestehen, als mein Kollege von einem Familienausflug in die USA zurückkehrte und freudig berichtete, dass er einen Sony MDR-7506 Studiokopfhörer geschenkt bekommen hatte, war ich nicht direk voller Entzückung. Für meine Unwissenheit gab es zwei Hauptgründe: Ich hatte erst vor kurzem überhaupt mein Interesse an Kopfhörern entdeckt, und meine bisherigen Eindrücke von Sony-Geräten waren bestenfalls mittelmäßig. Sony war in den 80er und 90er Jahren im unteren bis mittleren Preissegment recht beliebt, was der Marke das Etikett "OK für den Preis" einbrachte und für einen Audiophilen fast schon ein Todesurteil ist. Was auch das deutsche Wortspiel zum Markennamen ausdrückte: "So nie."
Als Landon und ich dann die Kopfhörer in unserem Frankfurter Büro genauer unter die Lupe nahmen, stellten wir fest, dass sich die weichen schwarzen Kunstleder-Ohrpolster aus Altersgründen aufzulösen begannen. Ich schlug vor, dass es sie vielleicht noch als Ersatzteile irgendwo im Internet geben könnte, und Landon gelang es tatsächlich, ein preisgünstiges Paar rote Polster aufzuspüren. Erst später erfuhr ich dann, dass alle Teile des MDR-7506-Kopfhörers auch heute noch problemlos gewartet werden können und bei einer Vielzahl von Anbietern erhältlich sind. Die Wartungsfreundlichkeit spielte seit jeher eine große Rolle bei der Instandhaltung von Vintage-Geräten, und die Sony-Studiokopfhörer waren in dieser Hinsicht sicherlich nicht unzureichend.
Wartungsfreundlichkeit und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen waren auch für professionelle Nutzer dieser Kopfhörer ein wichtiger Aspekt. Die größeren Studios der 90er Jahre besaßen häufig eine große Anzahl von Kopfhörern, die von unvorsichtigen Studiogästen und Amateuren benutzt wurden. Die Möglichkeit, einen defekten Treiber oder ein Ohrpolster direkt im Studio auszutauschen, ohne den Kopfhörer zur Reparatur an Sony einschicken zu müssen, hätte dem Studio Zeit und Geld gespart. Das erklärte dann auch, weshalb es noch so viele MDR-7506 gab.
Der MDR-7506 wurde für professionelles Studio-Monitoring entwickelt und hatte geschlossene Ohrmuscheln. Dies hatte zwei Vorteile: Im Mischraum dämpfte die geschlossene Muschel Umgebungsgeräusche, und die vom Kopfhörer ausgehenden Geräusche konnten auch nicht versehentlich in die Aufnahme eindringen. Bei längerem Tragen des Kopfhörers war ich überrascht, wie gut es die leichten Ohrmuscheln vermochten, mich von der Außenwelt abzuschirmen.
Mit 230 Gramm war der MDR-7506 der bisher leichteste Kopfhörer, den ich getestet hatte. Das bedeutete jedoch nicht, dass er sich in der Handhabung oder beim Tragen auf dem Kopf leicht oder zerbrechlich anfühlte. Der alleinige Kopfbügel war in der Größe verstellbar und hielt die Ohrmuscheln fest in Position. Anfangs war ich überrascht, dass die Polster meine Ohren flach an den Kopf drückten, doch dieses Gefühl war schon bald vergessen. Ja, ich sah mich sogar an die alten Panasonic Studio-Kopfhörer meines Vaters erinnert, die weichere Innenpolster hatten, um den Druck aufs Ohr zu minimieren. Das Tragen einer Brille mit dicken Bügeln könnte eventuell eine kleine Herausforderung darstellen, aber ich hatte keine Probleme, meine Brille mit flachen Bügeln zu tragen.
Dem Mechanismus, mit dem die Ohrmuscheln nach oben in das Kopfband geklappt werden können, stand ich mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits konnte ich den Vorteil erkennen, die Kopfhörer auf kleinerem Raum unterzubringen. Andererseits klappten die Ohrmuscheln in Situationen in denen dies weder nötig noch erwünscht war ständig nach oben. Es war gut möglich, dass diese Funktion im Neuzustand etwas fester gewesen war. Ein weiterer Aspekt, der mir nicht so gut gefiel, war dass sich das spiralförmige Kabel nicht abnehmen ließ. Nachdem ich einige Tage zuvor das Kabel meiner AKG-Kopfhörer versehentlich mit unserem Bürostuhl überrollt hatte, konnte ich den offensichtlichen Vorteil eines Kabels, das sich selbst kurz hält, schon verstehen. Da ich jedoch meist recht weit von unseren Geräten entfernt saß, hätte ich lieber die Wahl gehabt. Aus diesem Grund bot AKG Kabel mit Steckern sowohl an der Seite des Kopfhörers wie an der Quelle an.
Ich begann meine Hörexpeditionen mit "Album 10" des Helge Lien Trios. Dieses beginnt leise und steigert sich mit jedem neuen Lied langsam in Lautstärke und Geschwindigkeit. Als Musikquelle diente unser Marantz CD-17 CD-Player in Verbindung mit einem Cambridge DAC Magic. Ich konnte den leichten Druck auf den Ohren spüren und hörte das leichte Klingeln meiner Ohren vom langen Tag am PC. Ich vernahm sehr wenig von der Umgebung, was eine völlig andere Ausgangssituation war als bei meinen AKG K712 Pro Kopfhörern, die im Grunde den Raum in das Hörerlebnis mit einbeziehen und über große, offene Ohrmuscheln verfügen, in denen die Ohren ihre natürliche Position beibehalten können.
Ich bemerkte, dass der MDR-7506 weniger luftig und kompakter klang, was die Nähe zum Zuhörer und auch die Staffelung der Klangbühne betraf. Er spielte auch etwas lauter als der AKG und bote einen volleren Klang mit einem leicht verdickten Bass. Dieses robustere Bassfundament würde sich beim Hören von Rock-, Pop- oder Metall-Musik gut machen, würde aber bei Jazz oder klassischer Musik vermutlich eher als Betonung wirken. Ich konnte keine störenden Resonanzen der Muscheln feststellen, wie man sie bei günstigeren und weniger gut verarbeiteten Kopfhörern findet.
Im Zusammenspiel mit unserem Douk Audio T-1 Kopfhörerverstärker mit GE-Röhren klangen die Höhen süß und gefällig. Ich muss sagen, dass die JAN 5654W nicht nur für diesen Verstärker eine sehr gute Röhrenwahl sind, und die Sony-Kopfhörer haben ihnen nichts von ihrem Zauber genommen. Bei niedrigen Lautstärken klang der MDR-7506 etwas zu robust mit schnell abklingenden Transienten, aber bei höheren Hörlautstärken konnte sich die PET-Membran besser befreien, und die Musik wurde räumlicher und präziser. Selbst bei höheren Lautstärken dominierten die Bassfrequenzen die Musik nicht, wie ich zunächst befürchtet hatte.
Im direkten Vergleich empfand ich den AKG als klanglich präziser und aufschlussreicher, vor allem bei geringerer Lautstärke. Es gab einfach ein bisschen mehr Einblick in die Musik, was gut dazu diente, die Tiefe und Breite jeder Aufnahme zu beurteilen. Das soll aber nicht heißen, dass der Sony weit davon entfernt war, was angesichts der über 30 Jahre langen Materialalterung und des wissenschaftlichen Fortschritts eine Überraschung darstellte. Ich emfand den MDR-7506 dabei sogar als besser für Studios geeignet als den modernen Beyerdynamic DT990 Pro und den dünn klingenden AKG K702, die ich beide hier zum Testen hatte und die ich auch in verschiedenen Studios im Einsatz gesehen habe. Wenn ich eine Ad-hoc-Rangliste von Kopfhörern aufstellen müsste, würde meine Liste für audiophiles Hören folgendermaßen aussehen:
Nachdem ich Helge Lien auf CD gehört hatte, startete ich unseren Technics SL-1310 mit Audio Technica VM 540 ML Tonabnehmer, um das Album "Rumours" von Fleetwood Mac abzuspielen. Das war eine angenehme Erfahrung. Als ich zu unserem AKG zurückkehrte, um ihn kurz gegenzuprüfen, war ich überrascht, wie viel dünner er nun klang. Der MDR-7506 bot hier einen kräftigen und druckvollen Mittenbass mit einem soliden rhythmischen Vorwärtsdrang. Nach wie vor war er im Ausklang etwas kurz angebunden und bot etwas weniger klanglichen Tiefgang. So fühlte ich mich an den Sound der 80er und 90er Jahre erinnert, in denen klangliches Finesse ausschließlich dem Ultra-High-End vorbehalten war. Und dennoch fand ich, dass gerade diese Präsentation sehr gut mit dem Musikmaterial aus dieser Zeit harmonierte.
Ich könnte mir vorstellen, dass weniger anspruchsvolle Hörer den robusteren Klang des Sony MDR-7506 dem AKG vorziehen würden, weil er die feinen Unterschiede in den Aufnahmen besser verzieh. Während der AKG den Hörer dazu einlud, über jede Aufnahme hinweg auf die Bereiche zu schauen, die vom Musikmaterial nicht ausreichend abgedeckt oder übermäßig erdrückt wurden, nahm der MDR-7506 die Musik mehr für bare Münze, hinterfragte weniger, und förderte so eine allgemeinere Wertschätzung des Klangs. Das funktionierte sehr gut und stellte den Sony über einige bekannte Konkurrenten seiner Zeit und auch darüber hinaus.